Das kennen wir alle: Der kranke Kollege schnieft, Augen sind schon seit Tagen rot, das Taschentuch sein bester Freund. Und trotzdem ist er an seinem Arbeitsplatz, steckt möglicherweise die Kollegen an. Auch die Arbeitsleistung ist nicht wie bei einem gesunden Arbeitnehmer. Das Arbeiten trotz Krankmeldung, der sogenannte Präsentismus, greift immer stärker um sich: Fast jeder zweite Berufstätige (46 Prozent) geht krank zur Arbeit, stellte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in einer aktuellen Befragung im Juni 2017 heraus.
Wer sich krank an den Arbeitsplatz schleppt, gefährdet nicht nur sich und seine Kollegen. Kurier- und Berufskraftfahrer sind im Straßenverkehr unaufmerksamer, Ärzte und Pflegepersonal machen Fehler, Verkäufer stecken Kundschaft an. Kranke Callcenter-Mitarbeiter leisten sich vermeidbare Falschauskünfte. Krankgeschrieben arbeiten ist kein Kavaliersdelikt. Besonders Frauen sind für Präsentismus anfällig: Von ihnen gingen laut GfK-Umfrage sogar 50 Prozent krank zur Arbeit. Bei den Männern fiel die Quote mit 43 Prozent etwas niedriger aus.
„Gelber Schein“ ist günstiger für Unternehmen
Mitarbeiter, die krank zur Arbeit kommen, schaden ihrem Unternehmen – und das nicht nur, wenn ihre Erkrankung ansteckend ist. Zahlreiche Studien haben nachgewiesen, dass diese Beschäftigten für ihre Firma teurer sind, als wenn sie mit einem gelben Schein zu Hause geblieben wären. Im Schnitt kostet ein solcher Arbeitnehmer sein Unternehmen im Jahr 2399 Euro, ermittelte die Unternehmensberatung Booz & Co bereits im Jahr 2011: Die Qualität der Arbeit ist oft fehlerhaft, andere Mitarbeiter werden angesteckt. Durch Fehlzeiten fallen hingegen nur 1199 Euro pro Mitarbeiter an.
Viele glauben: Krankschreibung gefährdet den Job
Besonders häufig gehen Menschen mit chronischen Krankheiten trotz ihrer Beschwerden zur Arbeit, also zum Beispiel Berufstätige mit Rückenschmerzen oder Allergien. Zu Buche schlagen aber auch Kollegen, die einen leichten Infekt verschleppen, bis dieser sich zu einer handfesten oder chronischen Erkrankung ausgewachsen hat. Natürlich kommen nicht nur die Arbeitnehmer krank zur Arbeit, die sich für unentbehrlich halten. Viele haben schlicht Angst, dass eine Krankschreibung ihren Job gefährden könnte. Oder dass die Kollegen murren, ihren würde mehr Arbeit aufgehalst. Insbesondere in Branchen mit starkem Saisongeschäft (Handel, Tourismus) ist die Sorge nicht komplett aus der Luft gegriffen.
Besonders anfällig für das Ignorieren einer Krankmeldung sind Arbeitnehmer mit psychischen Belastungen. Jeder dritte Arbeitnehmer ist trotz psychischer Belastungen zur Arbeit gegangen, so das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit.
Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben
Wer selbst unter dem Präsentismus leidet, sollte sich klarmachen: Es ist keine private Angelegenheit, sich nicht krankschreiben zu lassen oder krankgeschrieben zur Arbeit zu kommen. Vor allem bei ansteckenden Krankheiten darf man seine Kollegen nicht gefährden. Aus dem Arbeitsvertrag folgt grundsätzlich die Verpflichtung, seine Gesundheit und die anderer nicht in Gefahr zu bringen. Und dazu gehört es, als Virenschleuder zu Hause zu bleiben.
Die beste Prävention gegen Präsentismus ist übrigens ein Chef, der selbst mit gutem Beispiel vorangeht – und im Krankheitsfall konsequent zu Hause bleibt.
Elke Spanner
Die 7 Falsch-Gründe für Präsentismus
„Ich möchte meine Kollegen nicht im Stich lassen.“
„Eine kleine Krankheit wirft MICH doch nicht um.“
„Mein Chef ist total sauer, wenn ich krank bin.“
„Krankmeldung? Ich habe Angst um den Job.“
„Statt Krankmeldung nehme ich lieber Urlaub.“
„Zuhause fällt mir nur die Decke auf den Kopf.“
„Ich bin unersetzlich.“