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Gesundheit & Fitness

Der unterschätzte Allrounder

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Der Stoffwechsel arbeitet täglich unermüdlich, doch viel Beachtung bekommt er dafür nicht – zu Unrecht, denn er beeinflusst unser ganzes Leben. Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ingo Froböse erklärt, wie das funktioniert und was wir tun können, um Alterungsprozesse und Krankheiten zu beeinflussen.

„Der Stoffwechsel ist der Motor des Menschen“, sagt Prof. Dr. Ingo Froböse. „Er produziert Energie, damit das Herz schlagen, die Leber arbeiten und die Niere entgiften kann sowie die Lunge atmen kann. Kurz: Er ist dafür verantwortlich, dass alles funktioniert.“ Trotzdem wird ihm kaum Beachtung geschenkt. „Für die meisten ist er nur die Verdauung von Lebensmitteln“, sagt Prof. Froböse und will das ändern. Der Sportwissenschaftler hat mit „Der Stoffwechsel-Kompass“ ein Buch geschrieben, das dabei helfen soll, den Stoffwechsel richtig zu verstehen.

Denn erst der Stoffwechsel sorgt dafür, dass die Nahrung im Körper verarbeitet und Körperzellen mit genau den Nährstoffen versorgt werden, die sie zum Funktionieren benötigen, um Energie für den Menschen bereitzustellen. Und diese Energie braucht der Körper für nahezu alles, was er leistet. „Das fängt schon damit an, die Körpertemperatur konstant über 36 Grad Celsius zu halten“, erklärt er. „Versuchen Sie das mal mit Ihrem Zuhause, dann sehen Sie anhand der Heizkostenrechnung wieviel Energie dafür notwendig ist.“

Buch „Der Stoffwechsel-Kompass“

Tödliches Quartett

Wie so oft im Leben gilt auch für den Stoffwechsel: Wie wichtig er ist, fällt erst auf, wenn er nicht mehr (richtig) funktioniert. Denn dann reagiert der Körper mit Leistungseinbußen, Trägheit und Müdigkeit. Haare und Nägel leiden, weil Reparaturprozesse nicht mehr funktionieren und der Alterungsprozess wird beschleunigt. Weil die Verdauung nicht mehr korrekt funktioniert, kommt es außerdem oft zu einer Gewichtszunahme.

Die Gefahr: Wenn der Stoffwechsel nicht mehr funktioniert, merkt man das nicht sofort. Prof. Froböse vergleicht es mit Dominosteinen: „Wenn der erste Stein umkippt, fällt das noch nicht so auf, man bemerkt es erst, wenn weitere Steine umfallen, doch dann ist es oft schon zu spät.“ Die Folge können Krankheiten wie Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes Typ 2 sein. Treten sie alle nacheinander auf, als sogenanntes tödliches Quartett, können sie sogar zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen, sowie in manchen Fällen auch Krebs begünstigen.

Muskelaufbau für den Stoffwechsel

Doch so weit muss es nicht kommen, denn 90 Prozent des Stoffwechsels lassen sich durch den Lebensstil von jedem selbst beeinflussen. Je gesünder die Lebensweise, desto besser funktioniert der Stoffwechsel. Die zwei zentralen Bausteine dafür sind Ernährung und Bewegung.

Denn das größte Stoffwechselorgan ist Muskelmasse. Je mehr man davon hat, desto mehr Energie verbraucht der Körper. Um sie aufzubauen, muss man nicht zwingend ins Fitnessstudio, ein Treppenhaus und das eigene Körpergewicht können ausreichen. Aber: „Muskeln müssen brennen, um zu wachsen“, sagt Prof. Froböse. „Am besten ist eine Kombination aus Kraft- und Ausdauer-Training, denn mit Krafttraining wird die Muskelmasse gesteigert, Ausdauertraining verändert die Qualität der Muskulatur. Beides zusammen verbessert die Grundlage des Stoffwechsels.“ Gerade ältere Menschen müssen mit einer hohen Belastungsintensität trainieren, um gegen Sarkopenie, den Abbau und Qualitätsverlust der Muskelmasse, anzuarbeiten. „Eigentlich müsste Fitnesstraining für Ältere als Therapeutikum eingesetzt werden“, meint Prof. Froböse.

Spaziergang ins Homeoffice

„Muskeln kann man nicht kaufen, die muss man machen“, sagt Prof. Froböse und rät zu möglichst wenig Inaktivitätszeiten. Viele Menschen verbringen acht bis zehn Stunden des Tages sitzend, das sollte so oft wie möglich unterbrochen werden. Telefonieren im Gehen, einen Parkplatz wählen, der nicht direkt neben der Tür ist oder direkt aufs Fahrrad umzusteigen sind keine neuen, aber dennoch wirkungsvolle kleine Maßnahmen. „Und warum kann man nicht auch trotz Homeoffice einen Arbeitsweg zurücklegen? Morgens wie gewohnt das Haus verlassen, einen strammen Spaziergang machen und dann zum Arbeiten nach Hause zurückkehren“, empfiehlt Prof. Froböse. Insgesamt sollte man sich jeden Tag 20 Minuten bewegen, Ausdauertraining sogar 30-45 Minuten.  Wichtig: Die Atem- und Herzfrequenz müssen dabei spürbar erhöht werden, es darf auch geschwitzt werden.

Darüber hinaus sollte die Bewegung mit der richtigen Ernährung kombiniert werden. Ideal auf die Bedürfnisse des Körpers abgestimmt ist es, wenn die Nahrung morgens Energie, mittags Nährstoffe und abends Eiweiß liefert. So sind Kohlenhydrate zum Beispiel nicht grundsätzlich schlecht, abends allerdings unpassend, weil der Körper sie nachts nicht braucht. Morgens zum Start hingegen sind sie der perfekte Energieschub für den Tag.

 

Keine Snacks zwischen den Mahlzeiten

Dabei kommt es jedoch nicht nur auf die Nahrung selbst an, sondern auch auf die Art und Weise wie bzw. wann sie gegessen wird. „Wichtig sind Esspausen“, betont Prof. Froböse. Denn die sind wichtig, damit die Organe nicht überstrapaziert werden und zwischen den Mahlzeiten runterfahren können. „Ideal sind drei Mahlzeiten pro Tag, zwischen denen jeweils vier bis sechs Stunden Pause liegen“, sagt Prof. Froböse und ergänzt: „Auch auf Snacks oder den Latte Macchiato zwischendurch sollte man lieber verzichten.“

Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, nicht zu wenig zu essen. Diäten mit minimaler Kalorienzufuhr pro Tag schaden dem Stoffwechsel, da dieser dann zu wenig zu verarbeiten hat, in eine Art Leerlauf verfällt und langsamer wird. „Dadurch nimmt man zwar kurzfristig ab, da der Körper die Energie jedoch für den Stoffwechsel braucht, spart er diese an anderer Stelle ein und baut Muskelmasse ab und fährt Körperfunktionen herunter“, weiß Prof. Froböse. Schließlich braucht auch der stärkste Motor Kraftstoff, um zu brummen.

Linda Hartmann