Michaela Jensen ist trockene Alkoholikerin. Mit 33 Jahren wachte sie aus der Sucht auf und änderte ihr Leben. Heute spricht sie über ihre jahrelange Alkoholabhängigkeit – in Schulklassen, Unternehmen, Vereinen, Verbänden, Städten und Kommunen. Sie klärt auf. Für „fit!“ schaut sie auf ihr altes Leben, das von der Sucht dominiert wurde. Hier ist ihre Geschichte.
Jugend:
Studium:
Arbeit:
Soziale Isolation:
Kontrollverlust:
Die Sucht-Stimme wurde immer lauter. Trink, trink, trink, hämmerte es in meinem Kopf. Der Konzentrationsfaden riss. Auf meinem Schreibtisch klebten immer mehr Erinnerungszettel. In meiner Schublade verwahrte ich zudem Karteikarten, auf denen ich meine Tagesabläufe notierte. Nach Feierabend führte der Weg in den Supermarkt. Ich hortete Nachschub.
Eines Morgens erwachte ich und zitterte. Um das Beben zu bekämpfen, füllte ich Orangensaft mit Prosecco in eine Plastikflasche ab und verstaute den Mix in meiner Handtasche. Im Büro verschwand ich stündlich auf der Toilette. Anschließend lutschte ich Bonbons und hielt den Atem an, sobald eine Person neben mir stand; aus Angst, jemand könne den entlarvenden Geruch bemerken, der mir aus jeder Pore quoll. In diesem Zustand arbeitete ich weitere vier Jahre.
Ansprache:
Aufstieg:
Nach mehreren Rückfällen entschied ich mich mit 35 Jahren für eine Entwöhnungsbehandlung. Vier Monate war ich in Rehabilitation. In den folgenden Jahren besuchte ich eine Nachsorgegruppe und genoss zusätzlich Einzeltherapie. Dank dieser Unterstützung habe ich mich und meine Erkrankung verstehen gelernt, und seit ich meine Gründe kenne und bearbeitet habe, schäme ich mich nicht mehr für sie. Ich wünschte nur, ich hätte mich früher geöffnet, mit 16 und nicht erst mit Mitte 30. Deshalb rede ich heute über meine Krankheit. Psychischer Not hilft keine Scham. Sondern ein freier Umgang.
Michaela Jensen