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Die Wut im Griff
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Die Wut im Griff

Was tun, wenn die Gefühle überkochen?

Immer schön freundlich bleiben – das fällt im Arbeitsleben mitunter schwer. Zum Beispiel, wenn Konflikte mit Mitarbeitern eskalieren oder wütende Kunden ihre Emotionen entladen. Diese Situationen können Sie am besten entschärfen, indem Sie Empathie zeigen. Hier erfahren Sie, wie das auch in hitzigen Momenten gelingt.

Saftladen!“ – „Sie sind das Allerletzte!“ – „Idiot!“ – Das sind noch die harmlosen Zitate, die Heiko Herrmann (Name geändert), Mitarbeiter im Kundenservice eines Versandhandels, schon einmal bei der Arbeit zu hören bekommen hat. Mit seinen Erfahrungen ist er nicht allein. Mitarbeiter von Hotlines oder in Versicherungen berichten in zahllosen Internetforen darüber, dass „König Kunde“ zuweilen ungehemmt und frei von Respekt seinen Unmut über Mängel, abgelehnte Anträge oder lange Warteschleifen entlädt.

Der größte Fehler
Al Weckert, Trainer, Mediator und Buchautor, kennt diese Beispiele aus seinen Seminaren. „Wer einem aufgebrachten Kunden zunächst mit der Frage nach der Kundennummer oder Vorgangsnummer konfrontiert, der darf sich vermutlich auf noch mehr Ärger gefasst machen“, sagt der 49-Jährige. Stattdessen sei erst einmal Zuhören angesagt, bevor dann Erklärungen oder die Arbeit an einer guten Lösung folgen. Die in der Psychologie als „gewaltfreie Kommunikation“ bekannte Methode setzt auf Empathie – also auf das Einfühlungsvermögen für die Situation des anderen. Der Begriff „gewaltfrei“ sei übrigens nicht im Sinne von körperlicher Gewalt zu sehen, betont Weckert: „Gewalt ist laut Duden, wenn Sie Menschen nicht nach ihren Bedürfnissen leben lassen.“

Auch im Zusammenspiel zwischen Vorgesetzten und Angestellten gibt es immer wieder solche Konflikte, etwa wenn Mitarbeiter sich über andere Kollegen und deren Arbeitsleistung beschweren „Bei der gewaltfreien Kommunikation geht es darum, dem Gegenüber deutlich zu machen, dass man Verständnis für seine Situation hat“, sagt Al Weckert. So weit, so einfach. Dass in der Realität ein handfester Streit mit dem Satz „Ich verstehe Sie“ längst nicht beigelegt ist, leuchtet aber ein. „Das reicht absolut nicht, denn woher soll Ihr Gegenüber wissen, was genau Sie verstanden haben?“, so der Experte. „Mit solchen Floskeln werden wir häufig nur vertröstet.“

Tipps in Konfliktsituationen

  • Fragen Sie stets: Was wünscht sich mein Gegenüber gerade?
  • Seien Sie ein guter Zuhörer.
  • Bleiben Sie ruhig, auch in der Stimme.
  • Bauen Sie Vertrauen auf durch Akzeptanz gegenüber der Emotionen.
  • Formulieren Sie die Emotion des anderen anschließend in ein Bedürfnis um.
  • Wenn Sie Fragen stellen, formulieren Sie einfache Fragen.


Die Lösung: Ein einfacher Satz

Der Trick liegt in einem einfachen Satz, der dem Gesprächspartner Verständnis in der Sache und Akzeptanz gegenüber seinen Emotionen signalisiert. Al Weckert: „Sie lassen Ihren Gesprächspartner in Ruhe ausreden und bringen dann eine Formulierung, die man in der Psychologie als Kontaktaussage bezeichnet. Etwa so: ‚Ich fasse mal gerade zusammen was ich verstanden habe. Sie sind sauer, dass Herr X aus der Abteilung Y den Auftrag liegenlassen hat und Sie hätten sich eine zügige Bearbeitung gewünscht. Richtig?‘ Sie fassen also das Gesagte zusammen und zeigen, dass Sie sich wirklich mit dem Thema auseinandersetzen und den Wunsch haben, einen Konsens zu erzielen. Das mag jetzt einfach klingen, aber es ist tatsächlich eine wirksame Methode, durch Sprache zu deeskalieren.“

Gemeinsam einen Weg finden
Im zweiten Schritt könne dann die Suche nach einer Lösung folgen, wobei es unerheblich ist, ob man direkt eine konkrete Lösung parat hat. „Das hat man zum Beispiel in der Situation eines Vorgesetzten oder Kundenbetreuers oft nicht. Aber man kann auch hier eine vertrauensvolle Ebene mit dem Gegenüber aufbauen, etwa mit dem Satz: ‚Ich biete ihnen an, dass wir an einer Lösung arbeiten. Sind Sie einverstanden?‘“

Technik ist erlernbar
Empathie zu zeigen ist laut Weckert übrigens keine Frage der persönlichen Veranlagung. Die Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt des Gegenübers hineinzuversetzen, sei bei jedem gleichermaßen vorhanden. „Es ist quasi die Grundausstattung des Menschen. Auch wenn wir behaupten, dass jemand mehr oder weniger einfühlsam ist – letztlich ist es eher die Frage, wie stark jemand diese Fähigkeit trainiert und bewusst abruft“, erklärt Weckert.

Empathie beugt Stress vor
Dass Empathie sich tatsächlich positiv auf den Stress von Mitarbeitern auswirken kann, wurde mehrfach wissenschaftlich belegt, unter anderem durch eine Studie an der Freien Universität Berlin. Jeweils drei Monate vor und nach einem Training zur gewaltfreien Kommunikation wurden Mitarbeiter einer Organisation aus dem Gesundheitsbereich über ihr Verhalten zu Kollegen und Patienten befragt. Die Veränderungen in der Kommunikation, beim Einfühlungsvermögen und das Stressrisiko wurden mit einer Kontrollgruppe verglichen, die kein Training absolviert hatten. Ergebnis: Die Kommunikationsfähigkeiten der Trainingsteilnehmer konnten erkennbar verbessert werden – zugleich sank die Stressanfälligkeit.

 

Reinhild Haacker