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Frauen brauchen eine bessere Medizin

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Frauen sind oft anders krank als Männer. Einige Krankheiten betreffen sie häufiger, Volkskrankheiten wie Herzinfarkt und Depressionen verursachen nicht selten andere Symptome. Obwohl Frauen fast die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen, stehen bei der Entwicklung und Testung von Medikamenten die Männer im Vordergrund. In ihrem neuen Buch widmet sich Dr. med. Franziska Rubin den Erkenntnissen der Gendermedizin.

Die Geschlechterforschung bringt es immer mehr ans Licht: Beschwerden, Symptome und Verläufe können bei Frauen deutlich anders sein. Deshalb brauchen sie öfter als bisher bekannt auch andere Medikamente, Dosen oder Therapien, um gesund zu werden. In ihrem neuen Buch „Die bessere Medizin für Frauen“ bereitet Franziska Rubin die bisher erforschten Fakten aus der Gendermedizin weltweit auf. Im Interview mit fit! gibt uns die Bestsellerautorin einen spannenden Einblick in das Thema.

Dr. med. Franziska Rubin

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch zum Thema Gendermedizin zu schreiben?

In vielen Bereichen werden Frauen nach wie vor nicht gleichberechtigt behandelt. So auch in der Medizin. Es ist mir ein Anliegen, mit meinem Buch auf die Erkenntnisse der Gendermedizin und die viel zu lange ignorierten Unterschiede aufmerksam zu machen. Das Buch ist leicht verständlich und so aufbereitet, dass man es als Praxisbuch im Alltag verwenden kann. Denn nur so schaffen wir es, auf diese Schieflage aufmerksam zu machen. Außerdem hoffe ich, dass das Buch es Frauen erleichtert, ihre Symptome besser zu deuten oder Medikamente zu wechseln. Wertvoll ist auch zu wissen, welche Risikofaktoren Frauen im Auge behalten sollten, da sie für sie schwerere Konsequenzen haben als für Männer.

Wie sehr und worin unterscheiden sich Frauen und Männer aus medizinischer Sicht?

Es ist erstaunlich, wie viele Unterschiede es gibt, wenn die Forschung mal genauer hinsieht. Fast jedes Organ funktioniert anders. Das Herz ist kleiner und anders aufgebaut, auch die Erregungsleitung im Herz funktioniert anders. Die Lunge ist kleiner und Frauen haben weniger Blut und Knochenmasse. Das weibliche Immunsystem ist potenter. Das kann ein Vorteil sein, wie die Corona-Pandemie gezeigt hat. Deutlich weniger Frauen starben an einer Covid-Infektion. Doch das Immunsystem schießt auch häufiger über. Das führt dazu, dass Frauen öfter von Long-Covid, aber auch Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose, der chronischen Schilddrüsen-Entzündung Haschimoto sowie Lupus, der Entzündungen an der Haut, den Gelenken, im Nervensystem und den Organen verursachen kann, betroffen sind.

Frauen reagieren auch auf einige Medikamente anders. Können Sie Beispiele nennen?

Einige Medikamente werden bei Frauen zwischen 20 und 50 Prozent schneller abgebaut, weil die weibliche Leber fast doppelt so viel Cytochrom P450 bildet wie die männliche. Dieses Enzym beschleunigt den Abbau bestimmter Substanzen. Deshalb wirken manche Medikamente, zum Beispiel die Blutdrucksenker Nifedipin und Verapamil, das Antibiotikum Erythromycin und das Beruhigungsmittel Midazolam schwächer. Andere Stoffe wirken hingegen stärker und sollten niedriger dosiert werden. Neben dem Schlafmittel Zolpidem sind dies das Schmerzmittel Morphin, viele Antidepressiva sowie Betablocker. In den Beipackzetteln finden sich hierzu jedoch leider meist keine Informationen und entsprechende Dosierungsanleitungen. 

Bei einigen Krankheiten haben Frauen andere Symptome als Männer. Können Sie Beispiele nennen?

Am besten untersucht ist das beim Herzinfarkt. Wenn die Genderforschung mal etwas untersucht, dann sind die Unterschiede so eklatant, dass man sich fragt, was wohl rauskommen würde, wenn man die anderen Bereiche auch erforscht.

Studien zeigen, dass es bei Frauen länger dauert, bis sie in die Kardiologie überwiesen werden. Sie sterben häufiger an einem Herzinfarkt, weil sie manchmal zu spät richtig behandelt werden. Weil wir Frauen uns nicht so wichtig nehmen und zuwarten, bis wir den Notarzt rufen müssen. Ein anderes großes Problem ist, dass die Symptome bei Frauen nicht erkannt werden. Denn wir haben öfter nicht den typischen Vernichtungsschmerz, Schmerzen im linken Arm und vielleicht die Ausstrahlung in den Kiefer. Frauen leiden bei Infarkten häufiger nur an Schwindel, Übelkeit, Herzrasen und Schweißausbrüchen. Diese Symptome werden dann häufig als Wechseljahrsbeschwerden fehlinterpretiert.

Was können Patientinnen dafür tun, damit sie angemessen behandelt und therapiert werden?

Studien zeigen: Informierte Patientinnen und Patienten leben besser und länger. Ich empfehle, sich auf einen Arzttermin vorzubereiten, sich Fragen zu notieren und darauf zu bestehen, dass diese auch beantwortet werden. Wer sich nicht gut aufgehoben fühlt, sollte sich nach einer anderen Ärztin oder einem anderen Arzt umsehen. Zudem bin ich davon überzeugt, dass die beste Therapie in der Kombination aus Schulmedizin und ergänzenden Behandlungsmethoden besteht. Hier lohnt es sich, sich einmal über die Möglichkeiten zu informieren.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Wir müssen das Bewusstsein dafür schaffen, dass Frauen und Männer sich nicht hauptsächlich durch Gewicht und Größe unterscheiden. Zusätzlich braucht es dringend mehr Forschung und Lehre zum Thema. Es darf nicht sein, dass ich als Frau schlechter behandelt werde. Die Unterschiede müssen erforscht und gelehrt werden – nicht wie bisher verdrängt.

Interview: Janina Fortmann

 

 

Foto Dr. med. Franziska Rubin: © Susanne Schramke