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Beruf & Bildung

Jobsharing: Kompetenz im Doppelpack

Wie Sie Familie, Beruf, Weiterbildung und Freizeit unter einen Hut bekommen
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Nimm zwei! Jobsharing bietet vielen Arbeitnehmern eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zugleich trägt das Modell den veränderten gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnissen an Job und Leben Rechnung. Und auch die Unternehmen profitieren: Denn Jobsharer sind motivierter, produktiver, weniger gestresst und fallen seltener aus. Was es mit dem Teilzeitkonzept auf sich hat, erfahren Sie hier.

Sybille Roth hat es gut getroffen. Nach der Geburt ihrer Tochter und der sich anschließenden Elternzeit hat die 32-Jährige wieder in ihrer alten Firma, einem Architektur- und Designbüro, angefangen. Nicht in Vollzeit, wie vor ihrem Baby, nein – die Architektin betreibt Jobsharing und teilt sich mit einer anderen jungen Frau den Arbeitsplatz: Ruth Springer möchte promovieren und wollte aus diesem Grund auf gar keinen Fall einen Fulltime-Job. Die beiden kennen sich aus dem Studium, hatten sich ein wenig aus den Augen verloren. Aber als Sybille nach einer zuverlässigen Partnerin suchte, die bereit war, sich mit ihr die Arbeit zu teilen, kreuzten sich die Wege der beiden Frauen. Sie fanden sich über ein Portal, das Jobsharing-Suchende zusammenführt.

Jetzt teilen die beiden die Woche unter sich auf, meist im Verhältnis 3:2 – drei Tage Ruth, zwei Tage Sybille. Sie betreuen gemeinsam Projekte, überhaupt organisieren sie ihre Arbeit selbstbestimmt. Was dabei herauskommt? Zwei Köpfe, die sich Gedanken machen und so zu oft außergewöhnlichen Lösungen kommen: ökonomisch, effizient und kreativ. Für das Unternehmen ein echter Zugewinn. Und dass mal die Kollegin Roth, mal die Kollegin Springer Ansprechpartnerin für den Rest des Teams und den Chef ist, hat schon wenige Wochen nach der Implementierung dieses Arbeitszeitmodells niemanden mehr gestört.

Ein Modell für die Rushhour des Lebens
In Deutschland arbeiten rund 40 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit. Dabei steigt die Zahl der Jobsharing-Arbeitsverhältnisse kontinuierlich. Das ist gut so. Denn wie die DAK-Gesundheit bereits 2014 für ihren Gesundheitsreport ermittelte, besteht ein großer Bedarf nach Teilzeit, Gleitzeit und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder. Das betrifft vor allem Arbeitnehmer, die sich in der sogenannten „Rushhour des Lebens“ befinden: In der Lebensspanne zwischen 25 und 40 Jahren werden Entscheidungen getroffen und realisiert, die mehr oder minder das ganze Leben beeinflussen. Die Ausbildung wird abgeschlossen, der Berufsstart erfolgt, man heiratet, gründet eine Familie. Während in den 60er- und 70er-Jahren die „Mehrheit der Bevölkerung spätestens mit dem 21. bis 23. Lebensjahr ihre ökonomische Selbstständigkeit erreicht hatte“ – so der 7. Familienbericht der Bundesregierung –, sind viele derzeit erst nach dem 26. bis 28. Lebensjahr in dieser Phase. Damit müssen wegweisende Entscheidungen in noch kürzerer Zeit getroffen werden.

Der Wunsch nach Kind und Karriere
Während man im Beruf mit Anfang/Mitte 30 eigentlich mit seiner Karriere beschäftigt ist, stellt sich aufgrund des späten Einstiegs in den Job zeitgleich vielen Beschäftigten die Frage nach Kindern. Der Druck auf den einzelnen wächst, denn viele Lebenskonzepte sehen sowohl Kinder als auch Karriere vor.

Laut DAK-Gesundheitsreport wünscht sich die Mehrzahl der Männer, 65,8 Prozent, und Frauen, 59,3 Prozent, beruflichen Erfolg und Familie. Mit dem späteren Berufseinstieg geht auch eine immer spätere Familiengründung einher: Wie das statistische Bundesamt 2015 feststellte, bekommen die meisten Frauen ihr erstes Kind mit 31 Jahren.

 

Dass viele nicht daran glauben, Kind und Karriere verbinden zu können, zeigen die Erhebungen der DAK-Gesundheit: 35 Prozent der Frauen denken, ihr Wunsch ließe sich nicht erfüllen. Interessant ist auch, dass als Voraussetzungen für die Elternschaft bei den (noch) Kinderlosen neben der stabilen Partnerschaft und materieller Sicherheit der Wunsch steht, „den beruflichen Einstieg schon geschafft“ zu haben. Wen wundert es da, dass 67,5 Prozent der Frauen als Grund für ihre Kinderlosigkeit angeben, sich „zuerst um ihr berufliches Fortkommen“ kümmern zu wollen. Haben die Frauen dann aber Kinder, sind immer noch sie es, die (nicht nur) im Job zurückstecken: Während 44 Prozent in Vollzeit oder im vollzeitnahen Bereich tätig sind, warten die Männer hier mit stolzen 97 Prozent auf. Nachdenklich stimmt auch, dass „erwerbstätige Elternschaft für Frauen mit einem gebremsten beruflichen Fortkommen einhergeht“. Hätten sie keine Kinder, so die Frauen, wären sie sicher beruflich schon weiter.

Win-win für Arbeitgeber und Beschäftigte
Jobsharing-Angebote kommen also den heute 25- bis 40-Jährigen entgegen. Aber nicht nur ihnen: Auch Unternehmen profitieren. Im Zuge des fortschreitenden Fachkräftemangels und der veränderten Erwartungen der Arbeitnehmer benötigen sie Strategien, um motivierte und gut ausgebildete Experten an sich zu binden. Zuversichtlich stimmt, dass rund 85 Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitern die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit bieten. Arbeitszeitflexibilisierung, Betriebskindergärten, Gleitzeit und Arbeit im Home-Office sind weitere Möglichkeiten, den Weg für Kind und Karriere freizumachen. Vor allem Menschen mit Bürojobs nutzen diese Angebote. Nachvollziehbar, denn etwa im Schichtdienst oder bei einer Tätigkeit mit viel Kundenkontakt sind diese Maßnahmen deutlich schwieriger umzusetzen.

Sybille Roth und Ruth Springer sind froh, Familie respektive die eigene Weiterbildung mit dem Job unter einen Hut zu bringen. Einem Job, der sie begeistert und den sie trotz ihrer anderen Interessen und Verpflichtungen ungern aufgeben würden. Die Folge: Die Architektinnen sind extrem engagiert und bei ihrer Arbeit hoch motiviert. Das ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sie Zeit für die Verwirklichung ihrer Lebensträume finden.

 

 

Märthe Walden, Julia Meier

Vorteile für Arbeitgeber

  • Expertenwissen bleibt erhalten
  • Positives Kriterium im „Kampf um Talente“
  • Auch Vollzeitprojekte können von Jobsharern übernommen werden
  • Niedrige Fehlzeiten
  • Höhere Produktivität
  • Arbeitszeitanpassung an betriebliche Belange

Vorteile für Arbeitnehmer

  • Zeitsouveränität
  • Hohes Maß an Eigenverantwortung
  • Selbstständige Arbeitseinteilung, Arbeitsplanung
  • Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Weiterbildung und ähnlichem
  • Belastungs- und Stressabbau
  • Zuwachs an Wissen im Arbeitsprozess

Tipps für Jobsharing

So funktioniert es!

  1. Die Kommunikation muss stimmen: Absprachen, Übergaben, regelmäßige Meetings und Telefonate sind wichtig für einen reibungslosen Ablauf zwischen den Kollegen.
  2. Organisation ist alles: Nicht nur Inhalte, auch Arbeits- und Urlaubstage müssen unter den Jobsharing-Partnern abgestimmt werden. Auch für den Krankheitsfall sollte eine Vertretung geregelt sein.
  3. Vertrauen ist die Basis: Gegenseitiges Vertrauen und Fairness sind die Grundvoraussetzungen für produktives Zusammenarbeiten. Im besten Fall kennen die Jobsharer einander gut und harmonieren in ihrer Arbeitsweise.