Haben Sie früher gern gelesen, sind zuletzt aber kaum mehr dazu gekommen? Dann nehmen Sie sich doch mal wieder die Zeit und greifen Sie zu Büchern, die Sie schon länger auf dem Zettel haben. Oder suchen Sie noch mal Ihren Lieblingsschmöker heraus. Warum Lesen uns so guttut – den Großen ebenso wie den Kleinen.
Während meines Studiums in den 90er Jahren habe ich ein Lesetagebuch geführt. Ich kam auf den Schnitt von zwölf Büchern – pro Monat! Darunter war viel leichte Kost, klar, Krimis zum Beispiel. Auch Jugendbücher oder „All-age-Literatur“ wie Harry Potter habe ich verschlungen. Zwanzig Jahre später schaffe ich dieses Pensum höchstens noch pro Jahr. Weil ich weniger Zeit habe als die kinderlose Studentin von einst, aber auch, weil die Verlockung, sich online zu informieren und zu zerstreuen, so groß ist.
Achtsamer online
Die neuen Medien sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Trotzdem lohnt es sich, sie bewusst und achtsam einzusetzen. „Treten Sie innerlich einen Schritt zurück, wenn Sie sich beim müßigen Surfen ertappen“, rät Dr. Mark Dankhoff, Arzt bei der DAK-Gesundheit. „Tut es Ihnen gut, was Sie tun, fühlen Sie sich wohl dabei? Brauchen Sie die x-te Corona-Meldung am Tag wirklich, oder wäre etwas Abstand jetzt besser?“ Natürlich gibt es vieles, was Sie offline tun können, sich bewegen, die Wohnung entrümpeln, einen Freund anrufen, aber eben auch: lesen! „Ein spannender Roman, Figuren, mit denen wir mitfiebern, entführen uns in eine andere Welt“, weiß Dr. Dankhoff.
Lesende leben länger
Dass Lesen tatsächlich sehr gesund ist, fanden Forscherinnen und Forscher der Yale University heraus. In einer über zwölf Jahre laufenden Studie teilten sie die mehr als 3.600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in drei Gruppen auf: Nichtleser, Leserinnen mit bis zu dreieinhalb Stunden Lektüre pro Woche sowie Vielleser. Alle waren zu Beginn mindestens 50 Jahre alt. Das Ergebnis: Die Bücherwürmer lebten länger als die Nichtleserinnen und Nichtleser, im Schnitt fast zwei Jahre. Faktoren wie Einkommen, Beziehungsstatus und Bildungsstand rechneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus – das Resultat veränderte sich nicht. „Das Lesen von Büchern hilft nachweislich dabei, sich zu entspannen. Regelmäßige Leser stimulieren ihre Gehirnzellen und verbessern ihre Konzentrationsfähigkeit“, fasst DAK-Experte Dr. Dankhoff zusammen.
Um von den positiven Auswirkungen des Lesens auf Gesundheit und Lebenserwartung zu profitieren, reichen der Studie zufolge schon dreißig Minuten täglich. Wichtig ist jedoch, dass dann nicht Zeitschriften oder Zeitungen, sondern wirklich Bücher gelesen werden: Dabei kann man sich viel tiefer auf den Inhalt einlassen, Expertinnen und Experten sprechen vom „Deep Reading“.
Tipps und Tricks
Mancher muss sich vielleicht erst (wieder) daran gewöhnen, sich längere Zeit am Stück auf Handlungsstränge zu konzentrieren, die Bilder zur Geschichte im Kopf entstehen zu lassen. Der Hirnforscher und Buchautor Dr. Manfred Spitzer kennt das Problem: „Wenn man sich angewöhnt, nur noch kurze Texte zu lesen, hat man irgendwann mal mit längeren Texten Schwierigkeiten. Weil man nicht mehr gewöhnt ist, längere Satzteile im Kopf zu behalten.“
Da hilft nur: am Anfang Ausdauer beweisen und, um die Hürde zu senken, vielleicht eher zum aktuellen Bestseller als zum literarisch wertvollen, aber schwerer verdaulichen Klassiker greifen. Sorgen Sie für gutes Licht und wenig Ablenkung (Handy-Signale lautlos stellen!). Fangen Sie nicht gerade ein neues Buch an, wenn Ihnen vor Müdigkeit schon fast die Augen zufallen. Gegen das Lesen am E-Book-Reader hat Dr. Spitzer übrigens nichts einzuwenden – wenn es sich nicht gerade um knallbunte, interaktiv aufgemotzte Titel handelt.
Es kann auch viel Spaß machen, sich mit der Partnerin oder dem Partner und/oder größeren Kindern im Wechsel ein Buch vorzulesen. Nebenbei ist das für alle eine gute Übung in Sachen Konzentration: Wer gedanklich abschweift oder sich ablenken lässt, verliert schnell den roten Faden. Probieren Sie es auch mal mit einem Hörbuch. Unzählige Werke aller Genres sind erhältlich, gelesen von sehr guten Sprecherinnen und Sprechern, denen man gerne lauscht. Viel Lesemotivation für Schulkinder bietet das Projekt Antolin, bei dem Fragen zum Gelesenen beantwortet werden. Allerdings muss eine Lehrerin oder ein Lehrer die Kinder anmelden und ein Punktekonto für sie einrichten.
Zum Schluss mein persönlicher Tipp
Greifen Sie doch mal zu einem Buch, das Sie früher mit Vergnügen gelesen haben – und wenn es die Gesamtausgabe „Kalle Blomquist“ ist. Mit etwas Glück ist das wie ein Besuch bei einer alten Freundin oder einem alten Freund.