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Mama gesucht
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Mama gesucht

„Mama gesucht“ – unter diesem Titel veröffentlichte Michi Kasper, Chef einer Kommunikationsagentur aus Freising, Anfang des Jahres eine Stellenanzeige auf Facebook. Die Resonanz war enorm: Zeitungen, Fernsehsender und Onlinemedien berichteten über die ungewöhnliche Aktion. Die „Berliner Zeitung“ feierte ihn sogar als den „neuen Liebling der Mütter“.

Allerdings hat Kasper mit seiner Aktion gegen geltendes Recht verstoßen. Denn Fakt ist: Arbeitgeber müssen bei der Wahl ihrer Beschäftigten stets das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) befolgen. Was zählt, ist allein die Qualifikation. Dementsprechend ist das Vorhaben des Freisinger Agenturchefs, ausschließlich Frauen einzustellen, genauso gesetzeswidrig wie die Benachteiligung von Frauen aufgrund familiärer Verpflichtungen. Mit der Stellenanzeige befeuerte Kasper zum einen eine Diskussion um die tatsächliche Geschlechter-Gerechtigkeit bei der Personalauswahl, zum anderen stellt er sich die Frage: Liegt in der Beschäftigung von Müttern nicht auch eine verkannte Chance für Unternehmer?

Neuer Blick auf die Stärken
Tatsächlich waren es die besonderen Qualitäten von Müttern aus seinem privaten Umfeld, die Kasper bei der Suche nach Mitarbeitern für seine Agentur im Hinterkopf hatte. Bestens organisiert, ausdauernd und stresserprobt – so erlebte er bisher Frauen mit Kindern: „Und darauf wollte ich mit meiner Stellenanzeige einfach aufmerksam machen. Deutschland braucht Mütter“, so lautet sein Rat auch an andere Arbeitgeber, die das Vorhandensein von Kindern eher mit negativen Aspekten wie zeitlich eingeschränkter Verfügbarkeit und geringerer Arbeitsleistung verbinden. „Frauen sind mitunter besser organisiert, weil sie zum Beispiel als Mütter vor sehr konkreten Alltags-Herausforderungen stehen“, bestätigt der Kölner Buchautor und Mediziner Dr. Manfred Lütz.

Chance: Digitalisierung
Die zunehmende Digitalisierung lässt Arbeitgebern und Arbeitnehmern in vielen Branchen mehr Spielraum, was die Präsenz am Arbeitsplatz betrifft. Vertrauensarbeitszeit, Homeoffice und agile Team-Führungstechniken ersetzen inzwischen in einigen Branchen die starre Präsenzpflicht von 9 bis 17 Uhr. Unlängst stellte das Institut der Deutschen Wirtschaft in einer Studie fest, dass „fast jedes zweite stark digitalisierte Unternehmen eine ausgeprägt familienfreundliche Arbeitskultur“ aufweist. Aktuell ist in Deutschland die Teilzeitarbeit für Mütter allerdings noch das beliebteste Modell, was wohl auch an den Rahmenbedingungen liegt. Die Angebote von Kitas und Ganztagsschulen unterscheiden sich regional deutlich – und oft bleibt am Ende Müttern keine Alternative, als die Stunden zu reduzieren. Wegen der hohen Teilzeitquote tragen Frauen laut einem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in keinem anderen Land der Welt so wenig zum Familieneinkommen bei wie in Deutschland. Nur in den Niederlanden und in Österreich ist der Teilzeitanteil höher. Ein Punkt, der Arbeitgebern ein Dorn im Auge ist. So erklärte der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Ziel muss es sein, dass mehr Mütter eine Vollzeit- oder vollzeitnahe Beschäftigung ausüben können und längere Erwerbsunterbrechungen weiter reduziert werden. Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss es gelingen, die Wünsche der Beschäftigten mit den betrieblichen Erfordernissen in Einklang zu bringen.“ Vielen Frauen käme es laut Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles entgegen, wenn sie ein Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle hätten. Denn dies würde gleichzeitig Väter animieren, sich mit um Familienpflichten zu kümmern oder selbst die Stundenzahl zu reduzieren. „Wenn Männer nicht mehr fürchten müssen, aus der Teilzeit nicht wieder herauszukommen, wäre damit auch eine hohe Hürde abgebaut“, so die Ministerin. Gesetzlichen Regelungen für ein Rückkehrrecht steht der BDA jedoch kritisch gegenüber.


Suche nach Mamas beendet

In der Agentur von Michi Kasper ist nach dem Wirbel um die „Mama gesucht“-Stellenanzeige Normalität eingekehrt. Die Suche war übrigens erfolgreich: Gleich vier Frauen stellte Kasper ein – drei mit Kindern, eine ohne. Stolz postete er daraufhin auf Facebook: „Mamas gefunden.“ Rechtlichen Folgen wegen seiner augenscheinlich diskriminierenden Stellenanzeige sieht er gelassen entgegen: „Wenn mich jemand verklagen will, weil ich Müttern eine Chance gebe, dann soll er es tun. Das nehme ich in Kauf.“

Reinhild Haacker

60 Sekunden Wissen

73,1 Prozent der berufstätigen Mütter mit Kindern unter sechs Jahren arbeiten mit reduzierter Stundenzahl.

6,4 Prozent der Väter in Deutschland arbeiten in Teilzeit.

43 Prozent der Mütter in Deutschland gingen 2014 im zweiten Lebensjahr des Kindes wieder arbeiten (2006: 35 Prozent).

Fast 40 Prozent der Schüler nahmen 2016 an Ganztagsangeboten teil.

2,5 Prozent aller erwerbstätigen Väter von Kindern unter 3 Jahren waren im Jahr 2015 in Elternzeit.

23 Prozent der Männer bleiben zu Hause wenn das Kind krank ist.

Ganze 11,5 Stunden am Tag haben Kinder in Schweden Anspruch auf eine Betreuung.

Quellen: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Statistisches Bundesamt, DAK-Forsa-Befragung, IW Köln.