Wohl jeder kennt Situationen wie diese. Ein ganzer Brokkoli war mal wieder zu viel für zwei Personen. Eine halbe Stange Lauch ist nach dem Kochen noch übrig. Und die Kartoffeln schrumpeln schon ein wenig vor sich hin. Viel zu schade, sie achtlos wegzuwerfen. Was obendrein Geldverschwendung wäre und die Umweltbilanz schmälert, werden doch gut drei Viertel aller in Deutschland verkauften Obst- und Gemüsesorten aus dem Ausland exportiert. Ein neuer Trend namens „Regrowing“ passt da gut ins Bild. Wir erklären, was sich hinter dem samenlosen Gemüse-Recycling verbirgt und wie es funktioniert.
Ein Klon der Mutterpflanze
Regrowing heißt aus dem Englischen übersetzt so viel wie „nachwachsen lassen“. Es beschreibt ein Prinzip, das es in der Natur schon immer gibt und das in der Biologie als vegetative oder Stecklingsvermehrung bezeichnet wird. Einfach erklärt heißt das, dass sich Pflanzen wie beispielsweise Gräser und Kräuter ohne Bestäubung regenerieren und sich aus vorhandenem Gewebe sozusagen ein Klon der Mutterpflanze bildet. Es entsteht neues Leben. Ein gutes Beispiel für dieses kleine biologische Wunder, das obendrein jeder kennt, ist die Kartoffel. Kaum hat man sie im Vorratsraum vergessen, sprießen bereits die ersten Triebe.
Kartoffeln, Kohlrabi und Co.
Doch nicht nur des Deutschen liebste Knolle eignet sich für den eigenen Gemüseanbau auf der Fensterbank. Auch Frühlingszwiebeln, Stangensellerie und Porree, Kohlrabi, Pastinaken und Mangold kommen mit ein paar einfachen Tricks wieder groß raus. Am besten und schnellsten gelingt das Regrowing mit Salaten, deren Strunk auf keinen Fall in die Biotonne oder auf den Kompost gehört. Und selbst Ananas, Mangos oder Ingwer gedeihen im heimischen Beet. Hier braucht es allerdings ein wenig Geschick und vor allem Geduld. Denn während sich bei den meisten Regrow-Pflanzen schon nach einigen Tagen erste Erfolge zeigen, kann es bei tropischen Früchten ein paar Jahre bis zur Erntezeit dauern. Sogenannte Fruchtgemüse, deren essbarer Teil oberirdisch wächst, eignen sich dagegen nicht fürs Regrowing. Dazu gehören unter anderem Auberginen und Avocados, Kürbisse, Paprika oder Tomaten. Hier empfiehlt sich der klassische Gemüseanbau.
So funktioniert’s
Wer sich am Regrowing versuchen will, braucht weder einen besonders grünen Daumen, noch eine Ausbildung zum Gärtner. Denn das Prinzip des samenlosen Gemüse-Recyclings ist denkbar einfach und obendrein eine schöne Idee, um Kinder für die Natur und mehr Umweltbewusstsein zu begeistern. Meist reichen schon eine Schale mit Wasser und ein heller, warmer Ort, an dem sich die Pflanzen vermehren können. Wichtig ist, dass das Gemüse noch genießbar ist und keine Schimmelstellen aufweist.
Dann kann es auch schon losgehen. Bei Wurzelgemüse wie beispielsweise Rettich oder Knollensellerie sollte der Strunk beziehungsweise die Wurzel kurz unter dem Blattansatz abgeschnitten und in Wasser gelegt werden. Schon nach ein paar Tagen, in denen das Wasser regelmäßig erneuert werden sollte, wachsen neue Blätter und es bilden sich erste feine Wurzelhärchen. Sie sind das Signal, dass die Pflanze nun in einen Topf oder ein Beet mit nährstoffreicher Erde gepflanzt werden und weiterwachsen kann.
Salate dagegen wachsen aus dem Herzen heraus. Dieses sollte mithin möglichst unversehrt und der Strunk möglichst lang sein, um im flachen Wasser – nur der Strunk darf bedeckt sein – neues Grün sprießen zu sehen. Ist der Strunk zu kurz, können sich keine Wurzeln bilden und es wachsen lediglich kleine Blätter nach. Die aber eignen sich gut als Dekoration oder zum Würzen.
Fehlt noch der Klassiker unter den nachwachsenden Gemüsen: die Kartoffel. Sobald sie schon erste Triebe hat, kann sie in zwei Hälften geteilt, getrocknet und eingepflanzt werden. So tief, dass nur noch die Triebe herausschauen.
Erntezeit
Das Schöne am Regrowing ist, dass bei den meisten Gemüsesorten schon nach wenigen Tagen erste Erfolgserlebnisse sichtbar sind. Zur Selbstversorgung mit Gemüse aus dem eigenen Garten reicht das einfache Prinzip jedoch in der Regel nicht. Denn die Ernte ist meist überschaubar und nicht endlos wiederholbar. Es einmal auszuprobieren, lohnt sich dennoch. Um der Natur beim Wachsen zuzusehen. Und um den Salat aus dem Treibhaus oder dem Ausland einfach mal guten Gewissens im Supermarktregal liegen zu lassen.
Frau Luckas