Immer mehr Patienten entscheiden sich nach einer Operation für eine ambulante Reha. Morgens Therapie, abends eigenes Sofa – mit dieser Kombination werden sie schnell wieder fit.
Martha Ganslmeier ist wieder mobil. Die 73-Jährige bewegt sich mit ihrem neuen Kniegelenk flott und sicher. Dass die Genesung nach der Operation so schnell gehen würde, hätte die Rentnerin aus der Nähe von Regensburg selbst nicht gedacht. „Die ambulante Reha hat mir wieder auf die Beine geholfen“, erzählt Ganslmeier. Bewusst hatte sie sich gegen eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme entschieden und würde es jederzeit wieder tun. Die Vorteile liegen für sie klar auf der Hand: „Ich hatte den Tag über die beste medizinische Betreuung und bin abends wieder zu Hause bei meiner Familie und in den gewohnten vier Wänden gewesen“, sagt sie.
Immer mehr ambulante Rehas
Mit ihrer Entscheidung liegt Martha Ganslmeier im Trend. Der Reha-Atlas 2019 belegt, dass die Zahl der Reha-Leistungen im ambulanten Bereich stetig wächst. Insgesamt finanzierte die Rentenversicherung knapp 158.000 Leistungen für Männer und Frauen. Das waren etwa 5.600 oder 3,7 Prozent mehr als 2017 und 23 Prozent mehr als 2012. Der Schwerpunkt der Behandlungen liegt hierbei im orthopädischen Bereich. Auch bei der DAK-Gesundheit steigt die Zahl der Patienten, die sich für eine ambulante Reha entscheiden, stetig.
Foto: Martha Ganslmeier hat in der ambulanten Reha schnell Fortschritte gemacht.
Einzelbetreuung statt Gruppe
Dr. Ralph Paloncy, Ärztlicher Direktor am Zentrum für ambulante Rehabilitation Regensburg (ZAR), führt als Vorteile einer wohnortnahen Behandlung weitere Punkte an: beispielsweise den engen Kontakt des Reha-Teams zu den Operateuren und dem behandelnden Hausarzt sowie die Möglichkeit, die Familie des Patienten eng mit in den Genesungsprozess einbeziehen zu können. „Zudem bieten wir eine individuelle Betreuung mit einer hohen Therapiedichte mit täglichen Einzelübungen in den Bereichen Ergotherapie, Physiotherapie, Massage oder Lymphdrainage“, so Dr. Paloncy. Das Ziel: intensive Einzelbetreuung zusätzlich zur Gruppentherapie.
Ob eine ambulante Reha geeignet ist, müsse im Einzelfall entschieden werden. Dabei ist nicht das Alter des Patienten ausschlaggebend, sondern unter anderem die Frage, ob er zu Hause die nötige Unterstützung erhält. Zu einer stationären Reha würde der Chefarzt raten, wenn der Betroffene aufgrund von noch bestehenden Verletzungs- oder Operationsfolgen und neurologischer oder internistischer Nebenerkrankungen engmaschig ärztlich überwacht werden muss.
Für viele Patienten ist die Reha eine Auszeit, in der sie auch Kraft für den Alltag schöpfen. Genau wie bei einer stationären Reha kommt dem Austausch mit anderen hierbei eine große Bedeutung zu. Der Vorteil bei einer ambulanten Therapie: „Viele, die sich bei uns kennengelernt haben, treffen sich später privat, gehen zusammen spazieren und machen Sport. Sie wohnen ja alle in derselben Region“, freut sich Dr. Paloncy.
Susanne Holz
4 Fragen an…
Prof. Dr. Dr. Joachim Grifka
Professor Dr. Dr. Joachim Grifka ist Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Regensburg am Asklepios Klinikum Bad Abbach.
Professor Grifka, Sie vertreten die These, dass künstliche Gelenke nach Möglichkeit vermieden werden sollten. Warum?
In Deutschland werden pro Jahr fast 400.000 Knie- und Hüftgelenke durch Implantate ersetzt, damit ist Deutschland im internationalen Vergleich Spitzenreiter. Das Problem: Mehr als jede zehnte Prothese muss später wieder ausgewechselt werden, weil sie Probleme macht. Es gibt viele Möglichkeiten der konservativen Therapie, die zunächst auszuschöpfen sind.
Sie und Ihr Team haben genau dafür spezielle Verfahren entwickelt, beispielsweise die sogenannte „Umformung“ bei Hüftverschleiß. Wie funktioniert diese Methode?
Dies ist eine gelenkerhaltende Modellierungsoperation der Hüfte. Viele Menschen haben Hüftschmerzen, weil die Hüftgelenkpfanne und der Schenkelhals nicht mehr richtig zueinander passen. Durch knöcherne Wulstbildungen am Hüftkopf verschleißt der Gelenkknorpel frühzeitig. Die Umformung ist eine Methode, bei der wir in einem minimalinvasiven Eingriff die Form so verändern, dass Hüftpfanne und Hüftgelenk wieder zusammenpassen. Diese Operation ist sehr segensreich. Wir haben viele Patienten, die noch zehn Jahre später komplett beschwerdefrei sind.
Viele Patienten versuchen es mit Spritzen, entzündungshemmenden oder schmerzstillenden Medikamenten, Akupunktur oder Physiotherapie. Wann weiß man als Patient, aber auch als Arzt: Es bringt nichts mehr! Nun muss doch ein künstliches Gelenk eingesetzt werden?
Viele Patienten nehmen dauerhaft Medikamente, mit Folgen für das Herz, die Nieren und andere Organe. Viele warten zu lange mit einem Arztbesuch, man gewöhnt sich nämlich an die Einschränkung. Ein Alarmsignal ist es, wenn die Nachtruhe gestört ist und man vor Schmerzen aufwacht. Wenn die Lebensqualität stark eingeschränkt ist, man wegen einer fortgeschrittenen Arthrose nicht längere Strecken gehen kann oder ständig Schmerzmedikamente benötigt. Dann ist ein künstliches Gelenk die richtige Entscheidung.
Sie plädieren dafür, vor einem Prothesen-Eingriff immer eine Zweitmeinung einzuholen. Besonders von niedergelassenen Ärzten gab es dafür Gegenwind.
Dies war eine Anregung der Hausärzte. Für mich ist der niedergelassene Hausarzt der wichtige Entscheider. Er kennt den Patienten und seine Krankengeschichte seit langem, weiß genau, wo er ihn zur Operation hinschicken muss. Wir haben in unserer Sprechstunde festgestellt, dass es bei der Hälfte der Patienten, die zur Zweitmeinung zu uns kommen, keinen Grund für ein künstliches Hüftgelenk gab, dies aber empfohlen worden war. Deshalb plädieren wir dafür, das Recht auf eine Zweitmeinung auch wahrzunehmen. Ein künstliches Gelenk ist ein Segen, wenn es notwendig ist. Aber es sollte immer nur die letzte Maßnahme sein, wenn alles andere nicht mehr hilft.