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Richtig lüften gegen Corona

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Das Coronavirus Sars-CoV-2 verbreitet sich offenbar nicht nur über direkten Kontakt und per Tröpfcheninfektion, sondern auch über winzige Schwebteilchen aus der Atemluft, sogenannte Aerosole. Richtiges Lüften senkt die Virenbelastung in Innenräumen und damit die Ansteckungsgefahr deutlich. Hier erfahren Sie, wie es auch im Winter geht.

Lüften. Kann ja wohl nicht so schwierig sein. Fenster auf, passt. Noch besser: Fenster auf Kipp, dann ist immer gelüftet. Leider ist es nicht so einfach. Immerhin, so Prof. Dr. Martin Kriegel, Leiter der Hermann-Rietschel-Instituts der TU-Berlin: „Entscheidend ist, dass wir die bestehenden Regeln zum Lüften beachten.“ Regeln? Zum Lüften? Ja, denn zahlreiche Studien zeigen, dass die meisten Menschen kein gutes Gefühl dafür haben, wann und wie oft gelüftet werden muss. Sie verbinden oft die Temperatur im Raum mit der Luftqualität, doch das ist nicht richtig.

Keine Nähe, keine Gefahr?

Warum ist Lüften überhaupt so wichtig, um uns vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen? Solange wir Abstand halten, sollte doch keine Gefahr bestehen? Das stimmt leider nicht, wie aktuelle Studien ergaben. Denn der menschliche Atem enthält nicht nur Kohlendioxid, sondern auch sogenannte „Aerosole“. Das sind winzige Schwebteilchen, die unsichtbar stundenlang in der Luft hängen können. Bei der Untersuchung der Luft in Zimmern von Covid-19-Patientinnen und Patienten wurden an ihnen aktive Coronaviren gefunden. Prof. Dr. Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité, hält regelmäßiges Lüften daher für möglicherweise sogar wichtiger als Händewaschen und Desinfizieren.

 

 

Richtig lüften? Nicht so einfach!

Es ist also wichtig, die Raumluft regelmäßig durch Frischluft zu ersetzen. Das kann durch eine entsprechende Lüftungsanlage erfolgen. Oder ganz einfach per „Fenster auf“. Stoßlüften ist dabei besser als Kipplüften, weil in kürzerer Zeit mehr Raumluft durch Frischluft ersetzt wird. Zugleich kühlt der Raum dabei weniger aus. Das ist vor allem in den Wintermonaten wichtig. Zur Stoßlüftung öffnen Sie möglichst viele Fenster möglichst weit. Ideal ist ein gewisser Durchzug („Querlüftung“). Die Stoßlüftung sollte auch im Winter mindestens drei Minuten lang durchgeführt werden. Wenn Sie die Möglichkeit haben, einen Ventilator ins Fenster zu stellen, der die Raumlauft ins Freie pustet, um so besser. Kipplüftung ist weniger effizient und kann nur ergänzend genutzt werden. Sie hilft vor allem dabei, die Raumtemperatur zu senken.

 

Wann sollten Sie lüften?

Die Zahl der Aerosole in der Raumluft lässt sich im Regelfall nicht abschätzen. Die Qualität von Raumluft wird mit Hilfe der sogenannten „Pettenkofer-Zahl“ angegeben: Je mehr ausgeatmetes Kohlendioxid im Raum, desto schlechter die Luftqualität und desto höher diese Zahl. Man kann davon ausgehen, dass mit der CO2-Konzentration auch die Zahl der (möglicherweise ansteckenden) Aerosole zunimmt. Werden 1000 ppm („parts per million“, Volumenteile pro 1 Million Volumenteile) überschritten, wird das Lüften empfohlen, über 1500 ppm wird es dringend empfohlen.

Allerdings sind die entsprechenden Messgeräte („Luftgüte-Ampeln“) nicht ganz preiswert. Deshalb können Sie alternativ die „CO2-App“ des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung nutzen (Info hier; Download für iOS hier, für Android hier). Mit der App lässt sich der ideale Lüftungsplan ermitteln und ein entsprechender Timer aktivieren. Die Berechnung erfolgt auf der Basis von Messungen an Schulen, ist aber nachweislich auf den Bürobereich übertragbar.

Gibt es Alternativen zum Lüften?

Manche Räume haben nur Kippfenster. Und ständig die Arbeit oder das Meeting zu unterbrechen, ist lästig. Auch Luftfilter können gegen Coronaviren helfen. Sogenannte „Hepa“-Hochleistungsfilter filtern auch kleinste Partikel und Viren aus der Luft. Ein entsprechendes Gerät muss ausreichend leistungsstark für den jeweiligen Raum sein. Wie gut solche Geräte vor einer Ansteckung schützen, ist derzeit allerdings noch nicht sicher bekannt. Um regelmäßiges Lüften kommt man ohnehin nicht herum. Denn Luftfilter reinigen die Luft, ersetzen aber das ausgeatmete Kohlendioxid nicht durch Sauerstoff. Müde und unkonzentriert wird man also nach einiger Zeit trotzdem.

Droht jetzt eine Schnupfenwelle?

Dass offene Fenster im Winter für Erkältungen sorgen, ist indessen aus medizinischer Sicht wohl ein Irrglaube. Im Gegenteil – viel wahrscheinlicher ist es, sich in einem schlecht gelüfteten Raum anzustecken, mit welchem Virus auch immer. Wer besonders im Winter seine Immunabwehr stärkt und statt im hippen T-Shirt im wärmenden Pullover ins Büro oder zur Schule geht, schützt sich gut vor Schnupfen und Co. Ärzte empfehlen zudem, die Schleimhäute nicht austrocknen zu lassen, wenig zu rauchen, ausreichend Wasser oder Tee  zu trinken und sich vitaminreich zu ernähren.

Frischluft allein reicht nicht

Nur durch Lüften oder den Einsatz von Luftfiltern lässt sich eine Übertragung von Sars-CoV-2 von einer erkrankten Person auf eine andere leider nicht generell verhindern. Deshalb sollten auch weiterhin die bekannten Schutzmaßnahmen der AHA-Regel berücksichtigt werden, vor allem die Vermeidung direkten Körperkontakts durch Abstandhalten, regelmäßiges Händewaschen sowie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, wenn das Abstandhalten nicht möglich ist.

Forschende des Max-Planck-Instituts entwickeln Lüftungsanlage für Klassenräume

Forschende des Max-Planck-Instituts haben eine einfache Lüftungsanlage entwickelt, die etwa 90 Prozent potenziell Corona-haltiger Aerosole aus der Raumluft entfernen soll. Nach Angaben des Instituts lässt sich diese Lüftung mit Materialen aus dem Baummarkt unkompliziert nachbauen. Der Kostenaufwand soll sich auf etwa 200 Euro belaufen. Ein Konstruktionsplan will das Institut in Kürze auf seiner Website zur Verfügung stellen.

Eine Gesamtschule in Mainz testet bereits den Prototyp. Über jedem Tisch hängt in Deckenhöhe ein breiter Schirm, der mit einem Rohr verbunden ist. Alle Rohre führen in ein zentrales Rohr, das wiederum durch ein gekipptes Fenster nach draußen führt. Ein Ventilator am Ende des Rohrs sorgt dafür, dass die Luft aktiv nach außen transportiert wird. Messungen hätten ergeben, dass auf diese Weise über 90 Prozent der Aerosole kontinuierlich entfernt werden.

Beim Umweltbundesamt sieht man das gesamte Lüftungsthema kritischer. So rät die Innenraumlufthygiene-Kommission des Amts zu klassischem Lüften: „Eine möglichst hohe Frischluftzufuhr ist eine der wirksamsten Methoden, potenziell virushaltige Aerosole aus Innenräumen zu entfernen“, heißt es in einer ausführlichen Stellungnahme.

Ulrich Hoffmann