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Selbstversuch Bouldern

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Bouldern boomt. Das Klettern ohne Seil in geringer Höhe wird in Deutschland immer beliebter. Auch ich möchte einmal die Faszination Bouldern erleben. Gut, dass es direkt bei mir in der Nachbarschaft eine Boulderhalle gibt. Auf geht’s!

Bunte Griffe hängen an kunstvoll geformten Wänden. Durch die Lautsprecher schallt der gute, alte Jimi Hendrix. Die Kletterinnen und Kletterer an diesem Abend sind jung – im Vergleich zu mir. Bouldern hat einen jugendlichen Charme: Die Menschen im Flashh in Hamburg-Bahrenfeld sehen aus wie Surfer ohne Surfbrett. Die Atmosphäre ist locker. In kleinen Gruppen üben unterschiedliche Boulderer ihre Parcours. Ich fühle mich wohl. Ein guter Ort für eine kleine Auszeit vom Alltag.

Beim Bouldern klettert man verschiedene Strecken, die farblich gekennzeichnet sind. Um die Parcours zu schaffen, dürfen nur Klettersteine (Boulder) der gleichen Farbe verwendet werden. Das schult auch den Kopf: Denn jede Strecke ist auch eine kleine Denksportaufgabe. Wie komme ich am besten zum Schlussstein, der mit einem farbigen Dreieck gekennzeichnet ist? Ich merke, dass allein schon diese Übung meinen Kopf frei macht. Ich möchte am besten gleich loslegen. Doch mein Grundkurs beginnt zunächst am Tresen.

Wussten Sie schon, dass …
... Klettern olympisch wird? „Sport Climbing“ ist eine neue Disziplin bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. Zum ersten Mal gibt es also Gold, Silber und Bronze für die besten Kletterer der Welt.

Grundkurs Tag 1: Über die Kraft der Beine

Wer bouldern will, braucht Kletterschuhe. Ich schnüre die geliehenen Schuhe eng an meinen Fuß. Sie sollen ein wenig drücken und auf keinen Fall zu groß sein. Ok, das scheint zu passen. Unsere Grundkurs-Gruppe besteht aus sechs Kletter-Anfängerinnen und -Anfängern. Unser Kursleiter führt uns durch die Halle. Es gibt zwei Kinderbereiche, ein Jugend-Areal und eine Halle für Erwachsene. Wir üben zunächst im Kinderbereich. Da ist wenig los. Die Überraschung zuerst: Beim Bouldern kommt die Kraft aus den Beinen. Wir üben das richtige Auftreten mit der Fußspitze: präzise, fest und leise. Dann kreuzen wir unsere Beine – nach vorne und nach hinten. Ich muss mich schon konzentrieren. Auch gut: Ich balanciere ein 20-Cent-Stück auf einem Fuß, damit ich in einem möglichst rechten Winkel bleibe. Gar nicht so einfach. Schnell merke ich: Mein Manko ist noch meine Beweglichkeit. Beim Test, wie viele Boulder ich mit den Füßen berühren kann, bin ich Gruppenletzter. Na, da habe ich ja etwas gefunden, an dem ich arbeiten kann. Am Ende der ersten Session habe ich leichte Schwielen an den Händen – und an den kommenden Tagen leichten Muskelkater im Rücken. Ich spüre viele Muskeln, die ich bis dahin kaum kannte.

Grundkurs Tag 2: Überkopf ist noch zu hoch gegriffen

Heute geht es in die große Boulderhalle. Unter Anleitung unseres Coaches studieren wir verschiedene Griffe. Besonders die Henkelgriffe sind leicht zu greifen und vor allem bei den einfachen Parcours verschraubt. Kniffeliger wird es, je kleiner die Boulder werden. Oder wenn sie deutlich größer als die Fläche zweier Hände sind. Umso wichtiger sind das feste Stehen und die kompetente Verlagerung des Schwerpunktes. So erreiche ich mehr Beweglichkeit. Ich lerne: Die Route entsteht im Kopf. Vor jedem Kletterversuch sollen Boulderer die Strecke einmal gedanklich durchgehen. Wo stelle ich meine Füße hin, welche Griff-Techniken muss ich wählen? Ich suche mir meine erste Route und klettere los. Schon nach der Hälfte muss ich absteigen. Ich habe mich verkalkuliert. Meine Gruppe und mein Coach überlegen gemeinsam, wie es besser gehen könnte. Das macht Spaß und stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Schließlich finden wir gemeinsam einen guten Weg, die Route zu klettern. Mein erstes Erfolgserlebnis. Gleich erklimmen wir die Strecke noch einmal, damit die Bewegungsabläufe eingeübt werden. Ein guter Tipp. Dann geht es zur Steilwand. Ich klettere das erste Mal über Kopf. Und kann mich nicht halten. Da gibt es noch einiges zu tun für mich und meine Bauchmuskeln. Ich habe mein erstes Boulder-Projekt und auch am zweiten Tag ordentlich Muskelkater – diesmal vor allem in den Unterarmen.

 

Grundkurs Tag 3: Über das Eindrehen

Auch heute üben wir wieder, was wir bisher gelernt haben. Ich klettere neue Strecken mit mittlerem Schwierigkeitsgrad. Es klappt gut – auch wenn ich einige Pausen brauche. Das Schöne heute: Wir sehen, dass wir schon einiges können. Und wir lernen neue Techniken. So habe ich, wenn ich meinen Standfuß eindrehe, eine höhere Reichweite. Hört sich kompliziert an, ist aber einfach und sehr effektiv. Und da gibt es eine Sache, die immer wichtig ist: Die Hüfte sollte möglichst nah an der Wand sein, damit ich mehr Bewegungsfreiheit und Standfestigkeit habe. Das funktioniert auf einigen Parcours leichter als auf anderen. Ich lerne, dass es nicht nur einen Weg nach oben gibt, sondern viele Varianten. Das Ausprobieren macht Spaß. Es läuft gut und ich werde – ehrlich gesagt – übermütig. Elegant schwinge ich mich auf meine erste grüne Route, eine schwere Parcour-Strecke, und hänge nach einigen Minuten hoffnungslos an zwei Bouldern. Ich kann mich nur mit einem holprigen Sprung auf die Matte retten. An meinen Fingern sind erste Blasen. Ich habe mich überschätzt. Das ist auch eine wichtige Erfahrung, wie ich finde. Ich gehe zurück zu meinen weißen und gelben Routen und freue mich schon darauf, den grünen Parcours einmal zu klettern. Ich habe noch ein weiteres Ziel für meine nächsten Nachmittage und Abende in der Boulderhalle.

Fazit:

Es ist eindeutig: Bouldern macht einfach Spaß. Das Klettern in der Halle macht den Kopf frei, beansprucht viele Muskelpartien und ist ein Ganzkörper-Work-out. Eine perfekte Auszeit vom Alltag. Am besten sollte man aber nicht alleine klettern, sondern das Bouldern mit einer Freundin oder einem Freund einfach einmal ausprobieren. Ein Kletter-Partner motiviert zusätzlich und gibt Tipps für neue Routen-Ideen. Übrigens lernt man mit Sicherheit in Boulderhallen schnell andere Menschen kennen. Denn Boulderer sind sehr kommunikativ und aufgeschlossen – so mein Eindruck. Also: einfach die nächste Boulderhalle in der Nähe googeln und los geht’s. Viel Spaß!

Text: Stefan Suhr / Bilder: Flashh, Stefan Suhr

Übrigens: Auch Patric Heizmann hat das Bouldern einmal ausprobiert