Bild zum Beitrag '„Wir wollten helfen“'
Familie & Freizeit

„Wir wollten helfen“

Veröffentlicht am | Schlagwörter:

Der Ukraine-Krieg hat 2022 viele Menschen berührt und betroffen gemacht. Unser Mitglied Lucas Adler wollte konkret etwas für Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten tun. Er und seine Familie nahmen eine Mutter und ihre beiden Söhne bei sich auf.

„Wir haben uns Wohnzimmer und Küche geteilt.“ Mit diesem schlichten Satz räumt Lucas Adler, Entwicklungsingenieur und Versicherter der DAK-Gesundheit, mit der Vermutung auf, wer Flüchtlinge aufnehme, verfüge über viele ungenutzte Räumlichkeiten, am besten eine freie Einliegerwohnung. Dennoch klappte das Zusammenleben mit Kristina, die mit ihren sechsjährigen Zwillingen aus Kiew geflohen war, sehr gut. Familie Adler – Vater, Mutter und zwei Kinder von vier und fünf Jahren – wohnt im oberbayrischen Petershausen zur Miete; die Einquartierung von Flüchtlingen war mit dem Vermieter abgesprochen.

Offen für Ukraine-Flüchtlinge: Familie Adler aus Petershausen.

Die passende Familie

„Wir hatten von einer Nachbarin, die sich im Auffanglager engagiert, von den schwierigen Zuständen dort gehört und wollten gern helfen“, erzählt Lucas Adler. „Am 9. April kam die Nachricht, dass es eine Familie gebe, die gut zu uns passt.“ Per Handynachrichten stellte man sich einander vor – auf Englisch –, und bereits am Tag darauf zogen Kristina und ihre Söhne in das Gästezimmer der Adlers ein, zu dem ein eigenes Bad mit WC gehört. Zunächst war ein Aufenthalt von sechs Wochen angedacht. Dass sich diese Spanne letztlich fast verdoppelte, lag an Kristinas Plänen: „Ihr Traum war es, in die USA zu gehen, sie hatte sich schon seit zwei oder drei Jahren um ein Visum bemüht. Das klappte jetzt endlich, doch vor der Abreise musste auch dort eine Gastfamilie für die drei gefunden werden.“

Stressiger Papierkram

Für die Gäste aus der Ukraine findet Lucas Adler nur lobende Worte: „Kristina hat das ganz toll gemacht und viel Rücksicht genommen.“ Die Kinder hätten sich sowieso ohne große Worte verstanden. „Wer ein Spielzeug zuerst hatte, ließ sich auch klären, ohne die Sprache des anderen zu sprechen“, sagt er und lacht. Als sehr anstrengend beschreibt seine Frau Mathilde dagegen den „Papierkram“, die Behördengänge, bei denen sie Kristina ebenso wie bei Arztbesuchen begleitet und unterstützt hat. „Wir haben uns Stück für Stück durchgehangelt und uns leider an vielen Punkten vom Staat alleingelassen gefühlt. Es fehlte auch oft an Menschen, die dolmetschen konnten, das waren ja meist Ehrenamtliche.“

Psychisch belastet

Kristina stand laufend in Kontakt mit Familienmitgliedern in der Ukraine. „Manchmal war sie im Raum, aber doch abwesend. Immer die Nachrichten zu verfolgen, nicht zu wissen, wie es Freundinnen und Freunden gerade geht, das hat sie verständlicherweise sehr mitgenommen“, schildert Mathilde Adler. Von ihrer Flucht und der Zeit davor hat die Ukrainerin den Adlers erzählt. „Sie hat fünf Tage in vollen Zügen nach Deutschland gebraucht und davor eine Woche im Flur eines Hochhauses gelebt.“ Betont habe sie, dass ihre Kinder keine Toten gesehen hätten. Der Übungsalarm der Feuerwehr freitags um 18 Uhr machte sie zunächst sehr nervös. Als schönste Momente aus der gemeinsamen Zeit behalten Lucas und Mathilde Adler ganz normale Gespräche im Gedächtnis, über Bücher zum Beispiel. „Toll war auch, wie Kristinas Jungs bei uns das Radfahren gelernt haben.“ Auch bedingt durch sehr strenge Lockdowns konnten die beiden das noch nicht. „Sie haben tagelang geübt, auf aus der Nachbarschaft geliehenen Rädern, bis es endlich geklappt hat. Da war die Freude groß.“

Annemarie Lüning