Angststörung, Depression, Burnout: Die Zahl der Fehltage mit psychischen Erkrankungen wächst. Das bedeutet nicht, dass mehr Menschen psychisch krank sind – aber der Umgang ist offener geworden. Das birgt Chancen für betriebliche Prävention.
Die Zahlen klingen alarmierend: 2,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland leiden an psychischen Erkrankungen – seit 1997 hat sich die Zahl mehr als verdreifacht. Das zeigt der Psychoreport 2019 der DAK-Gesundheit in einer Langzeit-Analyse der Fehltage der Versicherten. Besonders häufig sind Depressionen der Grund für eine Krankschreibung – unter den psychischen Erkrankungen sind sie damit mit großem Abstand Spitzenreiter.
An zweiter Stelle folgen Anpassungsstörungen. Wer jedoch eine Epidemie der psychischen Leiden vermutet, dem widerspricht die Wissenschaft: Demnach sind diese seit Jahrzehnten in der Bevölkerung nahezu gleich verbreitet. DAK-Vorstandschef Andreas Storm führt den Anstieg deshalb auch auf weniger Tabus beim Umgang mit psychischen Erkrankungen zurück. „Vor allem beim Arzt-Patienten-Gespräch sind psychische Probleme heutzutage kein Tabu mehr“, so Storm. „Deshalb wird auch bei Krankschreibungen offener damit umgegangen.“ In Betrieben sehe dies aber oft noch anders aus. Storm fordert deshalb: „Auch Arbeitgeber müssen psychische Belastungen und Probleme aus der Tabuzone holen und ihren Mitarbeitern Hilfe anbieten.“ Wie das gelingen kann, erläutert Sabine Winterstein, Expertin für Betriebliches Gesundheitsmanagement der DAK-Gesundheit, im Interview.
Die Krankmeldungen häufen sich vor allem im Gesundheitswesen und in der öffentlichen Verwaltung. Woran liegt das?
Sabine Winterstein: Im Gesundheitswesen betrifft das sehr stark die Pflegekräfte, die extreme Belastungen im Berufsalltag haben. An jeder Ecke fehlen Kollegen, aber die Arbeit muss ja trotzdem gemacht werden, und es fehlt an gesellschaftlicher und oft auch an persönlicher Wertschätzung durch Angehörige und Vorgesetzte. In der Verwaltung sind die Kommunikationswege oft nervenaufreibend, auch ist es ein großes Thema von Führungsproblemen.
Laut Psychoreport sind deutlich mehr Frauen als Männer betroffen. Gibt es hierfür Gründe?
Frauen sind generell offener, wenn es um die eigene Gesundheit geht, und suchen sich eher Hilfe. Männer sind im Berufsleben oft eher an Strukturen orientiert und daher weniger offen; Frauen haben weniger Probleme damit, ihre persönlichen Themen anzusprechen. Viele Schwierigkeiten haben auch jüngere Leute, die, aus einem harmonischen privaten Umfeld kommend, in der Berufswelt zum ersten Mal überhaupt mit Konfliktsituationen umgehen müssen, sich Regeln unterwerfen, Leistung zeigen und dabei noch mit unterschiedlichen Altersstufen auseinandersetzen müssen.
Wie kann ich als Führungskraft erkennen, ob ein Mitarbeiter Hilfe braucht?
Oft gibt es Symptome, die man, auch ohne medizinischen Hintergrund, mit mehr Achtsamkeit erkennen kann, hierzu kann man auch in Schulungen sensibilisiert werden. Wenn Menschen immer fahriger werden, viele Fehler machen, sehr oft nachfragen müssen, sich immer mehr zurückziehen oder sich kleinere Fehlzeiten häufen, kann so etwas ein Indiz sein.
Was sollte ich dann tun?
Wenn Sie das wahrnehmen, sollten Sie es in einem vertrauensvollen Gespräch ansprechen. Bitten Sie den Mitarbeiter zu einem Termin, kochen Sie Kaffee, sorgen Sie für eine gute Atmosphäre und sagen Sie: Ich habe das und das wahrgenommen. Kann ich dich unterstützen? Wichtig ist: Kommen Sie nicht mit Grundannahmen, sondern hören Sie erst einmal zu – und verabreden Sie zum Schluss des Gesprächs, was man als Nächstes tut, um bessere Bedingungen zu schaffen.
Wie sollte man mit betroffenen Kollegen umgehen?
Wenn der Kollege sich Ihnen anvertraut, geben Sie auf keinen Fall gute Ratschläge. Hören Sie einfach erst einmal zu. Zeigen Sie Verständnis – aber sagen Sie im Zweifel auch, wo Sie nicht helfen können, und verweisen Sie auf professionelle Hilfsangebote.
Florian Kastl
Innovative Angebote
Antistress-Coaching
Die DAK-Gesundheit unterstützt Arbeitnehmer mit kostenlosen Online-Coachings dabei, persönliche Stressursachen zu erkennen, zu verstehen und die Ursachen zu beheben.
Spezialisten-Netzwerk
Veovita, das innovative Versorgungskonzept der DAK-Gesundheit, bietet psychisch Erkrankten einfache und schnelle Hilfe. Ein Netzwerk aus Spezialisten macht dies möglich:
Haus- und Fachärzte, Therapeuten und Kliniken arbeiten Hand in Hand, es gibt kaum Wartezeiten, für einen raschen Einstieg in eine Therapie wird gesorgt. Bedarf und Lebensrhythmus der Patienten stehen dabei jederzeit im Fokus. Details zum DAK-Angebot finden Sie unter hier.