35 Kilogramm Zucker – so viel nimmt jeder Deutsche pro Jahr zu sich. Ernährungsexperten empfehlen, maximal 50 Gramm Zucker täglich zu essen. Wir kommen aber meist auf die doppelte Menge. Kein Wunder: Zucker steckt in sehr vielen Lebensmitteln, mal mehr, mal weniger offensichtlich. Wie schwer ist es, komplett auf künstlichen Zucker zu verzichten? Was macht das industrielle Süßungsmittel mit uns und mit unserem Körper und wie ergeht es uns bei einem kompletten Verzicht? Unsere Redakteurin Laura wagt den Selbstversuch.
Eine Woche ohne industriellen Zucker leben. Eigentlich gar nicht so schwer, oder? Ich verzichte einfach auf mein tägliches Stück Schokolade und trinke meinen Tee ohne Zucker, lebe aber sonst ganz normal weiter. Das waren meine Gedanken zu Beginn des Selbstversuches. Aber schon nach meiner ersten vergeblichen Suche, ein Mittagessen ohne Zucker zu finden, musste ich meine Überlegungen revidieren.
Hier meine Erlebnisse und Gerichte im Überblick.
Tag 1:
Der erste Tag und damit auch gleich das erste Problem: Mein geliebtes heißes Porridge mit Milch, Agavendicksaft und Preiselbeerkompott geht nicht als zuckerfrei durch. Zwar ist in der Milch und im Agavensaft kein industrieller Zucker enthalten, im Kompott aber sehr wohl – und davon gar nicht mal so wenig: Rund 40 Gramm befinden sich in 100 Gramm Fruchtaufstrich. Die Lösung: Ich schneide mir eine reife Banane in mein Porridge. So bleibt mir die fruchtige Komponente meines Frühstücks erhalten.
Leider hatte ich am Vortag keine Zeit, ein Mittagessen vorzubereiten, weswegen ich auf etwas Gekauftes zurückgreifen muss. Nur auf was? Nach einer schier ewig-dauernden Suche mit knurrendem Magen, bei der ich immer wieder auf Zucker stoße – im Salatdressing, im Kräuterquark, im Kartoffelsalat – kaufe ich mir schließlich ein Dinkelvollkornbrot und eine Avocado. Diese Brotzeit stellt heute mein Mittagessen dar. Für den nächsten Tag nehme ich mir aber vor, besser vorbereitet zu sein.
Nach meinem Feierabend besorge ich mir frischen Rosenkohl und etwas Schinken und mache mir, mit etwas Zwiebeln und Milch, eine leckere Rosenkohl-Pfanne. Ohne Schnickschnack – und vor allem ohne Zucker. Läuft doch.
Tag 2:
Heute bin ich top vorbereitet. Zum Frühstück mache mir wieder Porridge mit Banane.
Für mein Mittagessen habe ich etwas Besonderes geplant: Ich stehe am Morgen etwas früher auf und werfe meinen Smoothie-Maker an. Hineinkommen: Banane, Spinat, Orange, Avocado und etwas Wasser. Fertig ist der gesunde grüne Smoothie, der mir heute als Mittagessen dient.
Leider hält der Smoothie nicht ganz so lange an, am Nachmittag bekomme ich wieder Hunger. Als Snack hole ich mir eine Packung Studentenfutter. Die ist zwar nicht so befriedigend wie ein paar Kekse zum Tee, aber hält auf jeden Fall länger vor.
Zum Abendessen gibt es die Reste der Rosenkohl-Pfanne.
Tag 3:
Heute Morgen variiere ich mein Frühstück: Statt des Haferbreies esse ich Naturjoghurt mit Mandeln, Leinen- und Chiasamen, zum Süßen benutze ich wieder etwas Agavensaft und eine Banane.
Mein Ziel für heute: ein fertiges Mittagessen ohne industriellen Zucker zu finden. Bevor ich mich in der Stadt auf die Suche begebe, google ich: „Ist Kumpir ohne Zucker?“. Tatsächlich, die mit natürlichen Zutaten zubereitete türkische Ofenkartoffel enthält keine Zuckerzusätze – außer man möchte noch Sourcream oder Zaziki dazuhaben. Ich verzichte auf jegliche Soße und bestelle eine Kumpir mit Oliven, Gurken und Tomatenwürfeln. Hm, lecker!
Die Kartoffel hat mich so satt gemacht, dass ich zum Abendessen nur einen Salat brauche. Bei dem muss ich allerdings aufpassen: Mein heißgeliebtes Balsamico-Dressing strotzt nur so vor Zucker. Stattdessen greife ich auf eine selbstgemachte Vinaigrette aus Öl, Essig und Salz zurück.
Tag 4:
Auch heute mache ich mir zum Frühstück wieder einen Joghurt, diesmal mit gepufftem Amaranth, aufgetauten Himbeeren und Chiasamen.
Zum Mittagessen greife ich auf mein Dinkelbrot zurück. Diesmal belege ich es nicht nur mit Avocado, sondern auch mit Tomaten, Radieschen und Käse. Mit etwas Salz und Pfeffer schmeckt es ausgezeichnet.
Am Abend mache ich mir Rührei mit Schnittlauch und Zwiebeln. Zum Nachtisch gibt es ein paar Datteln. Die stillen mein Verlangen nach etwas Süßem besser als gedacht.
Tag 5:
Der fünfte Tag beginnt mit dem großen Verlangen nach einem deftigen Frühstück. Normalerweise esse ich morgens eher süß, aber heute kann ich mir nichts Besseres vorstellen, als ein Spiegelei auf Avocado-Brot. Gedacht und sogleich getan.
Dafür überkommt mich in der Mittagszeit der Hunger nach etwas Süßem. Ich verlege mein normales Porridge-Frühstück auf den Mittag und schneide mir noch einen Apfel und eine Orange rein.
Für das Abendessen hole ich mir Bio-Lachs, den ich mit Salz und Pfeffer würze und im Ofen grille. Dazu gibt es gedämpften Blumenkohl. Zum Abschluss gönne ich mir noch ein paar Mandeln und Walnüsse.
Tag 6:
Der Selbstversuch neigt sich dem Ende entgegen. Ich gebe noch einmal alles und bereite mir zum Frühstück einen gesunden Smoothie aus Banane, Grünkohl, Spinat und Tiefkühlhimbeeren zu.
Zum Glück ist heute Wochenende. Ich kann mir also genug Zeit für mein Mittagessen lassen und in Ruhe einkaufen. Ich koche Couscous und vermenge ihn dann mit Gurke, Tomate, Zwiebeln und Paprika, gebe einen Schuss Olivenöl dazu und schmecke ihn mit Salz und Pfeffer ab. Fertig ist der Couscous-Salat.
Bei der ganzen Menge bleibt sogar noch genug fürs Abendessen übrig. Perfekt. Dazu gibt es ein Spiegelei.
Tag 7:
Es ist Sonntag und damit der letzte Tag meines Selbstversuchs. Ich dachte, mein Verlangen nach etwas Süßem wäre größer, aber innerhalb dieser Woche hat es sich fast vollständig gelegt.
Heute gibt es leckere Dinkelbrötchen mit Frischkäse und Gurken zum Frühstück.
Zum Mittagessen mache ich mir Vollkornnudeln. Automatisch möchte ich zur fertigen Tomatensauce aus dem Glas greifen, bis ich realisiere, dass in der natürlich auch Zucker ist. Also mache ich die Soße kurzerhand selbst: geschälte Tomaten aus der Dose, Wasser, Apfelessig, Knoblauch und Gewürze, alles verrühren, fertig. Eigentlich gar nicht so schwer, schnell gemacht und wieder etwas überflüssigen Zucker vermieden.
Für das Abendessen habe ich mir das Rezept für einen brotlosen Burger rausgesucht: Rinderhackfleisch mit Zwiebeln, Knoblauch und einem Ei mischen, mit Salz und Pfeffer abschmecken und dann Paniermehl dazugeben. Nachdem ich die Burgerscheiben in der Pfanne angebraten habe, gebe ich sie auf jeweils ein Salatblatt und lege noch Gurken- und Tomatenscheiben drauf. Fertig ist der brotlose Burger. Er schmeckt gut, auch wenn ich den Ketchup dazu schon vermisse, aber der ist ja bekanntlich eine absolute Zuckerbombe.
Fazit:
Der Selbstversuch ist mittlerweile zu Ende und ich darf wieder Zucker zu mir nehmen. Was hat sich in diesen sieben Tagen verändert und wie hat mein Körper auf den Zuckerverzicht reagiert?
Zu Beginn des Experiments fand ich es recht schwierig, mich auf den Versuch einzulassen, da ich normalerweise mein Essen nicht weit im Voraus plane. Möchte man aber seine Ernährung umstellen oder auf ein Lebensmittel komplett verzichten, verlangt es Umsicht und Planung. Ich musste mir schon am Vortag Gedanken machen, was ich am nächsten Tag zum Mittag essen könnte. Dadurch habe ich mich aber auch intensiv mit meinen Essgewohnheiten und den Nährstoffen in den Lebensmitteln auseinandergesetzt – und gemerkt, wie viel Zucker ich am Tag zu mir nehme, ohne ihn überhaupt richtig wahrzunehmen. Natürlich schmeckt der Burger ein bisschen besser, wenn ein Klacks Ketchup drauf ist und ein Salat mit Balsamico-Dressing bleibt meiner selbstgemachten Vinaigrette überlegen. Allerdings war es sonst relativ einfach, komplett auf industriellen Zucker zu verzichten. Solange ich mein Essen mit natürlichen Lebensmitteln zubereitet habe, anstatt auf Fertigware zurückzugreifen, konnte ich den Zucker vermeiden.
Kleine Veränderungen habe ich schon in den ersten drei Tagen bemerkt. Hatte ich am Montag und Dienstag noch ein Müdigkeitstief nach dem Mittag, ging es mir bereits am dritten Tag besser. Ich war wacher und agiler. Das Verlangen nach Süßem ging ab dem dritten Tag zurück, die Heißhungerattacken blieben aus. Das lag vor allem daran, dass ich den Hunger nach etwas Süßem mit Früchten, Mandeln und Datteln gestillt habe. Meine Trinkgewohnheiten musste ich zum Glück nicht umstellen, da ich auch an normalen Tagen nur Wasser und Tee trinke. Allerdings blieb die Prise Zucker im Nachmittagstee natürlich aus.
Insgesamt fühlte ich mich in der Woche des Selbstversuches frisch und wach. Ich war optimistisch gestimmt und es machte mir schon nach kurzer Zeit Spaß, zu überlegen, wie ich industriellen Zucker umgehen könnte. Es war außerdem manchmal erschreckend zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit ich vorher große Mengen an Zucker zu mir genommen habe – zum Beispiel in der Tomatensoße oder dem Schokosnack zwischendurch.
Was nehme ich aus dem Selbstexperiment mit? Auf jeden Fall einen bewussteren Umgang mit Nahrungsmitteln und eine weitaus größere Vorsicht bei industriellem Zucker. Zwar esse ich mittlerweile mein Porridge morgens wieder mit Preiselbeerkompott, allerdings versuche ich mittags und abends größtenteils auf Zucker zu verzichten, indem ich mir selber etwas zubereite oder mitnehme. Zuckerverzicht verlangt zwar mehr Zeit und Planung, aber es lohnt sich tatsächlich, es mal zu versuchen oder zumindest den Konsum bewusst zu reduzieren.
Laura Bottin