Jugendliche im Bann sozialer Medien
Familie & Freizeit

„Das Liken darf nicht zum Leiden werden“

DAK-Studie klärt über Social Media-Verhalten von Kindern und Jugendlichen auf
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Schnell die neuen Urlaubsfotos auf Facebook hochladen, ein paar Herzen auf Instagram vergeben und ein Selfie per Snapchat teilen: Die sozialen Netzwerke gehören mittlerweile fest zum Alltag vieler Jugendlicher, sind für sie kaum noch wegzudenken. Eine neue Studie der DAK-Gesundheit zeigt jedoch, dass Facebook & Co. ein großes Suchtpotenzial bergen. Dazu wurden bundesweit rund 1.000 Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren befragt. Wir stellen wichtige Ergebnisse der Studie vor und zeigen, woran Sie eine Abhängigkeit erkennen.

Soziale Netzwerke sind zum Alltagsbegleiter der Heranwachsenden geworden: Knapp 85 Prozent der Jugendlichen surfen drei Stunden pro Tag auf den verschiedenen Online-Plattformen. Mit durchschnittlich 181 Minuten verbringen Mädchen allerdings deutlich mehr Zeit in den sozialen Medien als Jungen, die durchschnittlich 151 Minuten in der Online-Welt unterwegs sind. Dabei kommunizieren sie hauptsächlich mit Freunden, spielen oder suchen Unterhaltung. „Doch das Liken darf nicht zum Leiden werden“, sagt Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit. „Viele Kinder und Jugendliche chatten und posten von früh bis in die Nacht. Einige rutschen in die Abhängigkeit.“

Soziale Medien können süchtig machen
Dass diese Online-Dienste ein gewisses Suchtpotenzial bergen, ist vielen Teenagern gar nicht bewusst. Dr. Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum in Hamburg Eppendorf, erklärt: „In der aktuellen DAK-Studie zeigen 2,6 Prozent der 12- bis 17-Jährigen in Deutschland einen problematischen Gebrauch sozialer Medien – 3,4 Prozent der Mädchen und 1,9 Prozent der Jungen.“ Damit sind Mädchen deutlich anfälliger für eine Social-Media-Sucht als gleichaltrige Jungen.

Klassische Suchtsymptome bei Social-Media-Entzug
Problematisch ist die Nutzung sozialer Netzwerke aus suchtmedizinischer Perspektive dann, wenn die Heranwachsenden sich übermäßig stark mit den Online-Plattformen beschäftigen und die Kontrolle darüber verlieren, wie oft und wie lange sie in der virtuellen Welt unterwegs sind. Dann verschlechtern sich ihre Leistungen in der Schule oder Ausbildung, sie vernachlässigen ihre Familie und Freunde und achten nicht darauf, ausreichend zu schlafen und zu essen. Sie sind permanent müde und unkonzentriert und reagieren bei einem Social-Media-Entzug schließlich gereizt oder aggressiv.

Jugendliche flüchten aus dem Alltag
Die Gründe für eine solche Sucht sind vielfältig. Dazu gehören unter anderem die attraktiven Handlungsmöglichkeiten, die die Online-Welt bietet. „Es wird angenommen, dass junge Menschen zur übermäßigen Nutzung neigen, wenn sie die Erfahrung machen, durch die Internetanwendung eine Linderung bei alltäglichen Konflikten und Stressoren inklusive Einsamkeitsgefühlen und Depressivität zu erfahren“, so Dr. Thomasius. Tatsächlich geben 40 Prozent der Mädchen und 29 Prozent der Jungen an, soziale Medien zu nutzen, um sich nicht mit unangenehmen Dingen befassen zu müssen. Stattdessen suchen sie im Internet nach Selbstbestätigung durch Gleichaltrige – ein Phänomen, das vor allem bei weiblichen Teenagern zu beobachten ist.

Influencerinnen als falsche Ideale
Ihre Vorbilder: Influencerinnen wie die Modebloggerin Caroline Daur oder YouTuberin Bianca Heinicke („Bibis Beauty Palace“). Sie präsentieren verschiedene Designer-Outfits, geben Frisuren- und Schminktipps und lassen ihre Abonnenten per Video-Blog an ihrem Leben teilhaben – und ernten dafür Millionen Likes. Getreu dem Motto „Was mein Idol kann, das kann ich schon lange“ eifern ihnen zig junge Mädchen nach. Doch: Die gesetzte Messlatte, was Aussehen und Lebensstil betrifft, ist hoch. Die Jugendlichen investieren deswegen in Markenkleidung und bearbeiten die Fotos und Videos vor der Veröffentlichung mit verschiedenen Apps, um eine perfekte Version von sich zu schaffen. Erhält der eigene Post dann viel Zuspruch, entsteht eine Euphorie, die abhängig machen kann – mit psychischen und physischen Folgen: Die dauerhafte Auseinandersetzung und der Vergleich mit ihren Vorbildern kann zu Minderwertigkeitskomplexen, Depressionen oder zwanghafter Selbstoptimierung führen, bei der exzessiv Sport getrieben und streng auf die Ernährung geachtet wird.

Top 5: Die beliebtesten Netzwerke


Einfach mal offline gehen
Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, weiß: „Umso wichtiger ist es für Kinder und Jugendliche, einen selbstbestimmten und verantwortungsvollen Umgang mit den digitalen Medien zu erlernen.“ Erst wenn die Jugendlichen die hohe Bindungskraft der sozialen Netzwerke erkennen, können sie mögliche Gefahren und Konsequenzen des eigenen Handelns im medialen Umfeld abschätzen. Dafür müssen sich Eltern mit den Inhalten, die ihre Kinder im Netz konsumieren, auskennen und ihren Medienumgang beobachten. Hilfreich ist es beispielsweise, feste Zeiten für die Internetnutzung zu vereinbaren und die restlichen Stunden des Tages bewusst auf die Online-Welt zu verzichten. „Digital Detox“, also eine digitale Entgiftungskur, heißt diese Gegenbewegung zur ständigen Erreichbarkeit. Ziel ist es, zu entschleunigen, seine Achtsamkeit zu verbessern und das Auge wieder für die eigene Umwelt zu schärfen. Also: Nicht im Sekundentakt schauen, was auf Facebook & Co. los ist und das Handy stattdessen einfach ausschalten. Denn die reale Welt hat auch viel zu bieten.

Luisa Drees

Wege aus der Social-Media-Sucht

 
  1. Soziale Netzwerke reduzieren: Anstatt sich auf allen gängigen Plattformen zu registrieren, reicht es aus, nur auf Facebook oder auf Instagram angemeldet zu sein. Das schafft Freiräume.
  2. Freundeslisten verkleinern: Kontakte, die man nur entfernt kennt, können getrost aus den Freundeslisten gestrichen werden. So tauchen nicht alle paar Sekunden neue Beiträge auf den Startseiten der sozialen Netzwerke auf. Das Verlangen, zu schauen, was es Neues gibt, sinkt.
  3. Social-Media-Zeiten festlegen: Dreimal am Tag zu festen Zeiten durch die sozialen Netzwerke surfen reicht vollkommen aus, um auf dem neusten Stand zu sein.
  4. Soziale Netzwerke nur noch am PC verwenden: Das Hochfahren und Warten ist umständlicher als der schnelle Griff zum Smartphone und wird die Nutzung von Facebook & Co. deutlich reduzieren.
  5. Das Smartphone nicht überall dabei haben: Für ein Treffen mit Freunden oder der Familie kann das Handy ruhig zu Hause gelassen werden. So beschäftigt man sich bewusst mit seinem Gegenüber und nicht mit seinen virtuellen Kontakten.