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Gesundheit & Fitness

Der unbekannte Tumor

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Krebs ist ein heimtückischer Feind mit vielen Gesichtern. Gerade bei seltenen Tumoren geht mancher Diagnose eine Odyssee voraus. Ein Sarkom-Patient hat uns erzählt, wie seine Behandlung in einem Fachzentrum in die richtigen Bahnen gelenkt werden konnte.

Etwa 6.000 Menschen erkranken in Deutschland pro Jahr neu an einem Sarkom – das sind wenige im Vergleich zu 70.000 Neuerkrankungen bei Brustkrebs oder 50.000 bei Lungenkrebs. Sarkome treten in den Knochen oder in den Weichgeweben auf, also dem Muskel-, Fett-, Knorpel- und Bindegewebe, und können praktisch in jeder Körperregion vorkommen.

Sascha Koch

Ein rätselhafter Knubbel

Einer von den 6.000 war im vergangenen Jahr Sascha Koch (47) aus Bosenbach (Rheinland-Pfalz). Bei dem DAK-Versicherten machte sich die Erkrankung auf sehr typische Weise bemerkbar: „Ende März fiel mir beim Duschen ein Knubbel am Rückenmuskel im Bereich der linken Achsel auf, der aber nicht wehtat.“ Eine Schwellung oder Wucherung ist Hauptsymptom der meisten Weichgewebesarkome. An Krebs dachte Sascha Koch damals nicht: „Von Sarkomen hatte ich noch nie was gehört.“ Der Vater dreier Kinder im Alter von sechs bis 18 Jahren ging mit der seltsamen Beule zum Hausarzt. „Der meinte auch, dass es eigentlich nichts sein sollte. Ein Bluterguss vielleicht?!“

 

Aus der Bahn geworfen

Auf eine Ultraschalluntersuchung folgte ein MRT, für das sich der IT-Berater statt beim Onkologen beim Orthopäden einen Termin geholt hatte („Ich bin eben Optimist“). Die Diagnostik zog sich hin. Während einer „Achterbahn der Gefühle“, zwischen Hoffnung und Ängsten, wuchs der „Knubbel“. Als in einer Klinik schließlich eine Gewebeprobe entnommen wurde, maß er bereits mehr als sieben Zentimeter im Durchmesser. „Das Ergebnis der Biopsie war nicht so positiv und für mich eine große Überraschung“, erinnert sich Koch. „Die Ärzte meinten, man müsse jetzt schnell agieren, und haben gleich einen OP-Termin festgelegt. Auch dass ich meinen Arm verlieren könnte, stand im Raum.“ Er stand unter Schock, fühlte sich „überrannt“.

Elf zertifizierte Zentren

Sarkome werden nicht selten erst diagnostiziert, wenn der Tumor fortgeschritten ist oder es bereits Metastasen gibt. Das und mehr konnte Sascha Koch nachlesen, als er sich zu seiner Erkrankung im Internet schlaumachte. So erfuhr er auch, dass in Deutschland derzeit elf Kliniken nach Kriterien der Deutschen Krebsgesellschaft als Sarkomzentren zertifiziert sind – mit im Schnitt deutlich günstigerem Verlauf und besserer Prognose für Patienten wie ihn. Er trat mit dem Sarkomzentrum am Klinikum Frankfurt Höchst in Kontakt und sagte seine schon angesetzte Operation ab. „Ich hatte gleich das Gefühl, in Frankfurt gut aufgehoben zu sein. Die zwei Stunden Anfahrt waren mir egal. Die Betreuung war einfach toll, jede Frage wurde gleich beantwortet.“

 

Modernste Verfahren

In einem Sarkomzentrum arbeiten Spezialisten aus Chirurgie, Orthopädie, Pathologie, Radiologie, Onkologie, Chirurgie und Radioonkologie eng zusammen. Zur Behandlung gehören je nach Stadium und Typ des Tumors auch Spezialverfahren wie die Hyperthermie, eine Überwärmung zum Zerstören von Krebszellen, oder die Protonentherapie als modernere Form der Strahlentherapie. Auch die sogenannte isolierte Extremitäten-Perfusion kommt zum Einsatz, ein Verfahren, das die FAZ nach dessen Premiere 2010 mit einer Bombenentschärfung verglich. Dabei wird der Arm oder das Bein mit dem Sarkom zeitweise vom Blutkreislauf abgekoppelt und mit starken chemotherapeutischen Medikamenten durchspült, um eine drohende Amputation zu umgehen.

 

Erleichtert und dankbar

Im Kochs Fall wurde die operative Entfernung des Sarkoms mit Bestrahlungen kombiniert. Am 1. August 2019 kam er unters Messer – ein Datum, das er sicher nie vergisst. Seither hat regelmäßige Physiotherapie dazu beigetragen, dass das DAK-Mitglied zum Zeitpunkt unseres Gesprächs, im Sommer 2020, „90 Prozent“ der Beweglichkeit im Arm- und Schulterbereich zurückerlangt hat. Im Januar war er bereits wieder Skifahren und ist seit dieser Zeit auch wieder voll berufstätig. Sein ehrenamtliches Engagement als Feuerwehrmann konnte Sascha Koch ebenfalls wieder aufnehmen. Nachuntersuchungen, ein MRT alle drei und ein CT als sechs Monate, gehören zu seinem neuen Leben dazu. Er ist froh und zufrieden, dass alles doch so gut abgelaufen ist: „Ich kann mit meinen Kindern wieder Wasserschlachten im Garten machen.“ Googelt er seine Erkrankung noch? „Nein, das habe ich mir schnell wieder abgewöhnt.“

Prof. Dr. med. Matthias Schwarzbach, Leiter des Sarkomzentrums am Klinikum Frankfurt Höchst:

„Patienten mit einem Sarkom haben oft eine regelrechte Odyssee hinter sich, ehe die richtige Diagnose gestellt wird. Ganz wichtig ist daher, die Behandlungspartner zu kennen. Im Sarkomzentrum arbeiten Spezialisten aus Chirurgie, Orthopädie, Pathologie, Radiologie, Onkologie, Chirurgie, Radioonkologie – auch standortübergreifend – eng zusammen. Um den Betroffenen den roten Behandlungsfaden von Beginn an zu bieten, bedarf es des steten Austausches aller Beteiligten. Das Sarkomzentrum am Klinikum Frankfurt Höchst wurde kürzlich von der Deutschen Krebsgesellschaft erfolgreich rezertifiziert.“

Annemarie Lüning