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Beruf & Bildung

Keine Angst vor Fehlern

Plädoyer für eine positive Fehlerkultur
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Scheitern erlaubt. Immer mehr Unternehmen erkennen, wie wichtig eine positive Fehlerkultur ist. Denn wer Angst vor Sanktionen hat, wird Fehler vertuschen. Das kann und will sich niemand leisten.

Was haben Sie denn in den Sand gesetzt? Womit sind Sie denn gescheitert? – Fragen, die vor wenigen Jahren in einem Business-Umfeld noch völlig undenkbar waren. Inzwischen gehören sie fast schon zum guten Ton. Ob Hamburg, Berlin, Frankfurt oder Düsseldorf: Auf sogenannten „FuckUp Nights“ treffen sich Unternehmer, treten vors Mikrofon und packen aus. Berichten ganz unverblümt von ihren Misserfolgen. Fühlen sich damit Steve Jobs, dem Apple- Gründer, nah oder auch Amazon-Gründer Jeff Bezos. Schließlich sind auch diese beiden Finanz-Giganten gestrauchelt – und haben sich wieder aufgerappelt. Mit Erfolg.

Dieser Hype um das Scheitern scheint die andere Seite der Medaille zu sein: der Intoleranz für Fehler. Und die hat schon viel zu lange nicht nur das Wirtschaftsleben bestimmt: Fehler müssen vermieden werden. Fehler dürfen nicht passieren. Wer kennt diesen Satz nicht? Und hatte nicht schon Angst vor den drohenden Sanktionen. In Form von schlechten Noten in der Schule, durch Abmahnungen oder Karriereknicks in Unternehmen.

Fehler machen schlau
Dass Fehler zum Leben gehören, unvermeidlich sind – wer weiß das nicht? Gut, dass inzwischen die Erkenntnis wächst, sie als Impuls für Veränderungen zu nutzen. Immerhin sind aus sogenannten Pannen schon die tollsten Dinge erwachsen: Penicillin, das Tesa-Band oder auch die Teflon-Pfanne etwa. Ein Plädoyer für mehr Fehler ist das nicht. Aber eins dafür, angemessen mit ihnen umzugehen. Sicher sind Fehler ärgerlich, aber sie bieten auch die Chance, etwas zu lernen, vielleicht sogar, Neues zu entdecken. Auf jeden Fall aber zeigen sie auf, wo Handlungsbedarf besteht. Wo ein Prozess, wo eine Herangehensweise besser werden kann. Zum Nutzen aller. Und um im Wettbewerb bestehen zu können. Etliche Unternehmen machen sich das inzwischen zunutze.

Aus Fehlern lernen
„Um als Organisation anpassungsfähig und wandlungsfähig zu sein und besser als die Wettbewerber, braucht es eine positive Fehlerkultur“, so Unternehmensberater Dr. Stefan Reinecke von Reinecke Consulting. Nötig ist dafür ein Umfeld, in dem Fehler benannt werden können, ohne dass es zu Stigmatisierungen kommt. Die umfängliche sachliche Analyse des Fehlers sollte sich anschließen, um die Ursachen herauszufiltern. Denn aus Fehlern lernen heißt auch, sie möglichst kein zweites Mal zu machen. Immerhin kosten Fehler Geld, Kunden und sie nagen am Image. Wer will, wer kann sich das leisten? Zu erkennen, dass etwas falsch gelaufen ist, und den Mut zu haben, eben das nicht zu vertuschen, sondern offenzulegen – das wird in Japan „Kaizen“ (ewige Veränderung/Verbesserung) genannt. Ein Prinzip, mit dem der Automobilhersteller Toyota seit Jahrzehnten Erfolge verzeichnet. Ziel ist es, stets den bestmöglichen Weg zu finden. Irrtümer, Umwege inklusive. Eigentlich ein ziemlich einleuchtender Gedanke: Wer Fehler benennt, verhindert weitere. „Top down können Unternehmen das nicht verordnen“, weiß Unternehmensberater Dr. Stefan Reinecke. „Und solange Silo-Denken und Schuldzuweisungen vorherrschen, wird sich keine Fehlerkultur entwickeln.“

Nobody is perfect
Niemand ist perfekt.Auch die beste Führungskraft nicht. Menschen machen Fehler. Wer als Führungskraft die Souveränität aufbringt, eigene Fehler einzugestehen, wird zum Vorbild. Eine solche Person wirkt nahbar und menschlich – und inspiriert andere, die Mitarbeiter, dazu, sich im besten Falle auch zu trauen. Wer zudem auf Augenhöhe agiert und Offenheit zur Maxime macht, baut Vertrauen auf und schafft eine Kultur des Miteinanders. Gute Voraussetzungen, um ein angstfreies Klima zu erzeugen, in dem auch Fehler ihren Platz haben. Analysieren statt denunzieren, experimentieren statt brüskieren – das ist es, was eine positive Fehlerkultur ausmacht. Und dabei ist auch Stolpern erlaubt.

Sigrid Rahlfes

Sind Sie schon einmal im Beruf gescheitert?

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Interview mit dem Unternehmensberater Dr. Stefan Reinecke von Reinecke Consulting

Wie implementieren Unternehmen eine positive Fehlerkultur?

Führungskräfte müssen eine Fehlerkultur vorleben. Wenn allerdings der Vorstand weiterhin Fehler brandmarkt, wird sich eine positive Fehlerkultur nicht etablieren lassen.

Welche Prozesse unterstützen die Fehlertoleranz?

Wenn im Unternehmen nicht denunziert wird, nicht mit dem Finger aufeinander gezeigt wird, wenn ein offener Umgang vorherrscht, werden auch Fehler mit mehr Toleranz behandelt. Sie werden zum Anlass genommen, Systeme, Abläufe zu hinterfragen und zu optimieren. Wer für eine Null-Fehler-Orientierung plädiert, plädiert dafür, Menschen nicht wirklich zu entwickeln.

Es bedarf doch aber nach wie vor Mut, sich zu Fehlern zu bekennen ...

Grundsätzlich gilt: Wenn Menschen sich entwickeln sollen, müssen wir sie einen Hauch überfordern und aus ihrer Komfortzone herausholen. Wer Menschen nicht loslässt, wird sie nicht entwickeln.