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Familie & Freizeit

„Eltern sollten so oft wie möglich mit ihren Kindern ins Schwimmbad gehen“

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Kaum eine Sportart ist gesünder als Schwimmen. Die Bewegung im Wasser kräftigt die Muskulatur und verbessert das Koordinationsvermögen und die Ausdauer. Außerdem werden die Leistungsfähigkeit und die Abwehrkräfte gestärkt. Doch immer weniger Kinder in Deutschland lernen Schwimmen. Doch immer weniger Kinder in Deutschland lernen bereits in jungen Jahren Schwimmen, da sich ihre Eltern mitunter auf das Schulschwimmen verlassen. Das ist vor allem aufgrund der Gefahr von Badeunfällen eine besorgniserregende Entwicklung.

Die Zahl der Grundschulkinder in Deutschland, die nicht schwimmen können, hat sich seit 2017 verdoppelt. Zu diesem Ergebnis kam eine repräsentative Umfrage von forsa im Jahr 2022 im Auftrag der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft e. V. (DLRG). 2017 konnten den Angaben der Eltern zufolge zehn Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren nicht schwimmen. Inzwischen sind es 20 Prozent. Warum Eltern hier die Verantwortung tragen und was diese tun können, um ihre Kinder schon frühzeitig beim Schwimmenlernen zu unterstützen, erklärt Michael Dietel, Sprecher von Bäderland Hamburg und selbst Vater eines kleinen Sohnes.

Michael Dietel
Sprecher von Bäderland Hamburg

Es heißt, Kinder ertrinken lautlos. Was ist damit gemeint bzw. warum ist das so? Und warum kann selbst flaches Wasser eine Gefahr für Kinder darstellen?

Kleinkinder können bis zu einem gewissen Alter die für das Schwimmen notwendigen Bewegungen noch gar nicht koordinieren. Wenn sie also ins Wasser fallen bzw. den Bodenkontakt verlieren, können sie sich nicht selbst retten. Auch das bei Erwachsenen mögliche „Schweben“ geht nicht, denn Kleinkindern fehlt aufgrund ihres geringen Lungenvolumens der nötige Auftrieb – sie gehen unter wie ein Stein. Sie können auch nicht nach Hilfe rufen, denn im Notfall atmen sie hektisch, sodass ihnen kaum Luft bleibt, etwas von sich zu geben, geschweige denn zu rufen. Gleichzeitig ist es ihnen nicht möglich, mit den Armen auf sich aufmerksam zu machen. Denn diese strecken sie ganz automatisch zu den Seiten aus oder versuchen, sich irgendwo festzuhalten. Daher können wir nicht häufig genug wiederholen: Ertrinken passiert oft laut- und relativ bewegungslos. Eltern sollten ihre Kinder immer im Blick behalten.

Und ja, im Zweifel reichen schon wenige Zentimeter Wassertiefe, die Mund und Nase bedecken, damit ein Kleinkind in Not gerät. Zum Beispiel, wenn es im Planschbecken oder am Gartenteich unglücklich fällt. Dabei könnte es sich am Kopf stoßen und benommen sein. Oder es atmet erschrocken Wasser ein. Vor Schreck ist es orientierungslos und findet nicht wieder „an die Luft“. Ich möchte keine Panik verbreiten, aber so kann es durchaus zu Fällen von „trockenem Ertrinken“ durch die Aspiration von Wasser kommen. Besonders aufmerksam müssen Eltern mit Kindern bis zu fünf Jahren sein. Aber auch ältere Nichtschwimmerinnen und Nichtschwimmer können natürlich leicht ertrinken. Deswegen dürfen diese Kinder nicht ohne eine erwachsene Begleitperson ins Schwimmbecken – und schon gar nicht ins Tiefwasser. Eltern bleiben stets auf Armeslänge bei ihren Kindern und begleiten nicht mehr als zwei kleine Wasserratten beim Planschen.

Wie ist Ihre Einschätzung, wie steht es aktuell um die Schwimmkenntnisse der Kinder in Deutschland?

Die Corona-Pandemie hat natürlich aufgrund der angeordneten Schließungen der Bäder auch hier ihre Spuren hinterlassen. Mehrere Jahrgänge konnten nicht „zu ihrer Zeit“ das Schwimmen lernen, insofern bestand hoher Nachholbedarf. Inzwischen hat sich die Situation deutlich entspannt – dafür haben wir und andere Badbetreiber einige Schwimmlernoffensiven ins Leben gerufen und unser Angebot stark ausgeweitet. Wir werden den sogenannten Corona-Stau noch in diesem Jahr erfolgreich aufgelöst haben. Aber noch immer wundern wir uns, wie viele Kinder erst spät mit Wasser in Berührung kommen. Das ist ein Versäumnis, das tatsächlich riskant für die Kinder werden kann. Und das vor allem unabhängig von Corona immer häufiger festzustellen ist.

Warum sollten Kinder einen Schwimmkurs besuchen? Können sie das nicht auch in der Schule lernen?

Nicht überall wird der schulische Schwimmunterricht verlässlich durchgeführt. In Hamburg ist dies zum Glück der Fall. Denn hier organisiert Bäderland als Betreiber aller öffentlichen Bäder der Hansestadt auch das flächendeckende Schulschwimmen an den Grundschulen. Aber das beginnt erst in der dritten Klasse. Wir sehen hier zum Teil Acht- oder Neunjährige, die noch nie im Schwimmbad waren. In vielen Fällen müssen wir daher zunächst mit der Wassergewöhnung starten. Da ist es dann schon ein großer Erfolg, wenn viele Kinder im Rahmen des Unterrichts ihr Seepferdchen-Abzeichen machen. Aber damit gelten sie noch lange nicht als sichere Schwimmerinnen und Schwimmer. Das sind sie erst mit erfolgreich abgelegter Bronze-Prüfung.

Es gibt große regionale Unterschiede, die bemerken wir selbst zwischen den verschiedenen Stadtteilen von Hamburg. Daher ist es uns wichtig, möglichst niedrigschwellige und flächendeckende Angebote zu schaffen. Eltern sollten schon früh mit ihren Kindern ins Wasser gehen, um sie daran zu gewöhnen. Einige bringen ihrem Nachwuchs auch selbst das Schwimmen bei, so wie wir früher eben auch von unseren Eltern gelernt haben – die Bademeisterinnen und Bademeister nehmen den Kids dann ganz unproblematisch die entsprechende Prüfung ab. Bei manchen klappt das nicht mit den Eltern, da ist ein Kurs dann hilfreicher, um die Lust und den Spaß am und im Wasser bei ausbleibenden Lernerfolgen nicht zu verlieren.

Es muss aber auch klar gesagt werden, dass die Eltern die Verantwortung tragen und dieses wichtige Thema nicht auf die Schule abwälzen können. Das ist deutlich zu spät!

Ab wann können Kinder einen Seepferdchen-Schwimmkurs besuchen?

Wir bieten Seepferdchenkurse ab fünf Jahren an. Denn dies ist das Alter, in dem Kinder in der Regel dazu in der Lage sind, zielgerichtete Schwimmbewegungen umzusetzen und den Anweisungen der Kursleiterinnen und Kursleiter zu folgen. Die Kinder müssen sich für den Kurs auch sicher von ihren Eltern lösen können, das ist manchmal eine kleine Herausforderung. Manches Kind ist aber auch schon früher oder erst etwas später dazu bereit, das Schwimmen zu erlernen. Das ist ganz individuell. Eltern sollten auf keinen Fall den Fehler machen, ihr Kind zu drängen und ihm so die Freude am Wasser nehmen.

Gibt es auch Schwimmkurse für jüngere Kinder? Wie sinnvoll sind diese?

Manche Anbieter starten schon früher mit dem Seepferdchen, zum Teil sind dann die Eltern dabei oder es handelt sich um eine Art Privatunterricht. Es gibt aber auch Angebote wie unsere Aqua Kita oder andernorts auch eine Seepferdchen-Vorschule. Dort steht vor allem Wassergewöhnung auf dem Programm, denn diese ist für das erfolgreiche Absolvieren eines Seepferdchenkurses wichtig. Eltern können ihre Kinder aber mühelos auch selbst auf den Kurs vorbereiten. Im Prinzip beginnt die Wassergewöhnung nämlich schon ganz früh im Baby- und Kleinkindalter – beim Babyschwimmen, in der heimischen Badewanne sowie beim Duschen und Planschen.

Viele Kinder mögen es nicht, Wasser ins Gesicht zu bekommen oder gar den Kopf unter Wasser zu machen? Lässt sich das spielerisch trainieren?

Das lässt sich auf jeden Fall trainieren – zum Beispiel beim Duschen oder Baden zu Hause. Ich gebe gerne den Tipp, die Kinder richtig in der Badewanne planschen zu lassen. Da kann ruhig der Boden nass werden. Die Kids sollten auch dazu angeregt werden, mit dem Mund unter Wasser ins Wasser zu pusten und den Kopf in der Wanne zurückzulegen. Wenn das Kind es zulässt, dass ihm für 10 bis 15 Sekunden Wasser über Gesicht und Haare läuft, ist dies ein gutes Signal. Nun ist es bereit für den nächsten Schritt.

Plätze in Schwimmkursen sind an vielen Orten momentan schwer zu bekommen. Wie lässt sich die Wartezeit sinnvoll überbrücken?

Eltern sollten so oft wie möglich mit ihren Kindern ins Schwimmbad gehen. Dabei erkennen sie anhand einiger einfacher Übungen, ob ihr Kind schon an einem Seepferdchenkurs teilnehmen kann. Hält es zum Beispiel sein Gleichgewicht, wenn es auf einer Schwimmnudel sitzt, ohne den Boden zu berühren? Oder ist es ihm möglich, mit den Armen die Treppe im Kinderbecken hochzukrabbeln, ohne die Beine zu benutzen? Mag es seinen Kopf nach hinten ins Wasser ablegen, wenn es mit losgelösten Füßen an einer Treppenstufe im Wasser liegt? Das alles lässt sich bereits vor dem Absolvieren eines Schwimmkurses super üben.

Wie können Eltern ihre Kinder beim Schwimmlernen unterstützen? Gibt es Übungen, die das Schwimmenlernen fördern? Welche Hilfsmittel sind sinnvoll?

Da gibt es zahlreiche Möglichkeiten: Zu Beginn können sie sich zum Beispiel mit ihrem Kind ins Nichtschwimmerbecken mit dem Bauch auf die gefliesten Stufen legen, blubbernd ins Wasser pusten und mit ausgestreckten Beinen strampeln. Eine tolle Übung ist auch der „Seestern“, bei dem sich das Kind mit zur Seite ausgebreiteten Armen und Beinen wie ein Stern aufs Wasser legt. Dabei lernt es, dass es vom Wasser getragen wird – solange sein Po es nicht nach unten zieht. Natürlich unterstützen Eltern hier zunächst mit der Hand unter dem Po. Auch das Gleiten ist ein wichtiger Schritt zum Schwimmenlernen. Dafür macht sich das Kind lang wie ein Torpedo, stößt sich vom Beckenrand ab, gleitet und atmet ins Wasser aus. Möglich ist dies mit Brettchen oder mit gestreckten Armen. Eine weitere wichtige Übung ist auch, dass das Kind lernt, seinen Kopf komplett unter Wasser zu nehmen und die Augen zu öffnen, ohne eine Schwimmbrille zu benutzen. Wenn es sich dies nicht traut, macht ein Schwimmkurs noch nicht viel Sinn. Hier ist wieder die frühe Wassergewöhnung ein wichtiges Schlagwort. Und beim aufmerksamen Lesen kommt hier auch die Erkenntnis, dass Tauchen ein toller Einstieg ins Schwimmen ist. Letztlich geht es im Notfall ja darum, zügig wieder an den rettenden Beckenrand zu kommen. Wenn das Kind das erstmal nur tauchend schafft, ist das schon ein wichtiger Meilenstein!

Leider neigen viele Eltern dazu, ihr Kind durch die eigene Ungeduld zu überfordern. Es gibt einfach Dinge, die Kinder in bestimmten Entwicklungsstadien noch nicht können. Daher baut die Kursdidaktik die Übungen sinnvoll aufeinander auf. Manchmal möchte sich der Nachwuchs auch nichts von den Eltern sagen lassen – dann sind Papa und Mama einfach besser als Spielpartnerin und Spielpartner und nicht als Kursleiterin und Kursleiter geeignet.

Wie lange dauert es Ihrer Erfahrung nach, bis ein Kind schwimmen kann?

Das ist ganz individuell und von der Entwicklung sowie Persönlichkeit oder möglichen Ängsten des Kindes abhängig. Für einen schnellen Erfolg ist es aber immer wichtig, dass Eltern parallel zum Kurs mit ihren Kindern üben. Dennoch ist es einfach so, dass das eine Kind nur wenige Stunden benötigt und das andere vielleicht einen zweiten Kurs machen muss. Das ist natürlich auch abhängig von den Vorerfahrungen. Alles ist okay, solange die Kinder den Spaß am Wasser nicht verlieren. Eltern können für die beste Ausgangslage sorgen – nämlich durch die Wassergewöhnung und ihre Unterstützung während des Kurses. Und Letztere nicht durch gute Ratschläge, sondern durch regelmäßige Badbesuche zum Üben.

Was macht aus Ihrer Sicht eine sichere Schwimmerin oder einen sicheren Schwimmer aus? Ab wann dürfen Kinder allein in und am Wasser unterwegs sein?

Auf keinem Fall nur mit Seepferdchenabzeichen. Kinder dürfen erst alleine im Wasser unterwegs sein, wenn sie ihr Bronzeabzeichen absolviert haben. Dazu gehört unter anderem 15 Minuten Dauerschwimmen – wobei mindestens 200 Meter zurückgelegt werden müssen. 150 Meter davon werden in Bauch- oder Rückenlage geschwommen, die weiteren 50 Meter in der jeweils anderen. Dabei müssen sie ohne Festhalten von der Bauch-in die Rückenlage wechseln – oder umgekehrt. Zur Prüfung gehören auch ein Paketsprung vom Startblock oder vom 1-Meter-Brett und das Heraufholen eines Gegenstands aus 2 Metern Wassertiefe. Wenn dies noch nicht gelingt, müssen Eltern ihre Kinder auf jeden Fall im Wasser beaufsichtigen. Diese Pflicht liegt bei ihnen – und nicht bei der Bademeisterin oder dem Bademeister.

Foto Michael Dietel © Nina Stiller

Foto „Babyschwimmen“ und „Seestern“ © Bäderland Hamburg