Anhaltende und außergewöhnliche Belastungen gerade am Arbeitsplatz können an die persönliche Substanz gehen. Die Schnelllebigkeit und Komplexität einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt trägt dazu bei. Die Herausforderung besteht darin, sich ungeachtet aller Widrigkeiten die eigene Substanz zu erhalten. Wie das auch bei betrieblichen Veränderungsprozessen, anhaltenden Auftragsspitzen, Personalreduzierungen, Mobbing oder anderen Schwierigkeiten gelingt, erfahren Sie hier.
Etwa ein Drittel der Menschen bewältigt selbst existenzielle Krisen außerordentlich gut. Fachleute bescheinigen ihnen eine hohe psychische Widerstandskraft. Der Fachbegriff dafür lautet Resilienz. Von diesen Menschen können alle lernen.
Was bedeutet Resilienz?
Der Begriff Resilienz stammt ursprünglich aus dem technischen Umfeld und bezeichnet hier die Spannkraft eines Materials, also dessen Elastizität und Rückfederung. Stellen Sie sich eine Stahlfeder vor, etwa die Spiralfeder im Kugelschreiber oder die Fahrwerksfedern beim Auto. Resilienz ist deren Vermögen, Einwirkungen wie die Spannungs- oder Bewegungsenergie zu absorbieren und in die ursprüngliche Form zurückzuschnellen, ohne sich zu verformen.
Unbeschadet schwere Situationen durchstehen
Übertragen auf den Menschen ist Resilienz entsprechend die Fähigkeit, widrige Umstände, persönliche Rückschläge und Krisen bis hin zu Schicksalsschlägen anzunehmen, durchzustehen und wegzustecken, ohne Schaden zu nehmen, also ohne daran physisch oder psychisch zu erkranken.
Das stärkt die Widerstandskraft
Optimismus
Optimismus ist eine positive Grundeinstellung. Sie nährt sich aus der Erfahrung, dass auch schwierige Situationen meist vorübergehender Natur sind. Der Optimist sieht das Positive selbst im eigentlich Unangenehmen und ahnt schon die nächste schöne Phase voraus. Ihn trägt die Vorfreude. Das Negative schrumpft davor zusammen. – Verschaffen Sie sich positive Emotionen, öffnen Sie sich für die schönen Dinge, genießen und wertschätzen Sie die kleinen Freuden im Alltag. Gerade in einer schwierigen Situation und ihr zum Trotz. Schon das gibt Kraft.
Richtiges Einordnen
Besonders zu Beginn oder bei einer vorübergehenden Zuspitzung wirken Probleme häufig unüberwindbar. Dann können sie schnell unser ganzes Denken vereinnahmen. Wir kreisen in Gedanken um sie wie eine Motte ums Licht. – Fragen Sie sich, wie groß das Problem wirklich ist. Warum beschäftigt es Sie so sehr? Steht das im Verhältnis zur wahren Bedeutung? Was wäre noch schlimmer? Wenn es Ihnen gelingt, sich von dem Stressauslöser zu distanzieren und die Bedeutung zu relativieren, reduzieren Sie die Last und verschaffen sich Luft.
Vertrauen in sich selbst
Menschen, die an sich selbst glauben, gehen mit herausfordernden Situationen selbstbewusster um. Sie vertrauen auf ihre eigene Stärke. Nicht selten vergessen wir, welche Kräfte in uns stecken. Es kann schon helfen, sich in Erinnerung zu rufen, welche anderen schwierigen Phasen Sie bereits gemeistert haben. – Schöpfen Sie aus früheren Erfolgen Kraft, Selbstvertrauen und Gelassenheit.
Soziale Unterstützung
Denken Sie daran, Sie sind nicht allein. Anderen geht es vielleicht ähnlich wie Ihnen oder sie haben eine vergleichbare Situation schon hinter sich. – Pflegen Sie Ihre Beziehungen. Sprechen Sie mit Freunden, Kollegen und guten Kontakten. Suchen Sie praktische und emotionale Unterstützung. Nehmen Sie gebotene Hilfe an.
Schmied des eigenen Glücks
Solange wir passiv bleiben, sind wir die Erduldenden, diejenigen, die etwas Erleiden. Passivität oder rein reaktives Handeln verstärkt das Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins. – Werden Sie aktiv. Greifen Sie ein. Gestalten Sie mit. Packen Sie den Stier gewissermaßen bei den Hörnern. Geben Sie sich das Gefühl zurück, selbst Einfluss nehmen zu können. Konstruktiv und kreativ.
Auch das Ansprechen von Missständen gehört hier zu. Leisten Sie Ihren Beitrag zu einer positiven Feedback-Kultur, indem Sie Verbesserungswürdiges mit Blick nach vorn ansprechen und aus Fehlern Lehren ziehen.
Zielorientierung
Es wird noch immer viel von Problemorientierung geredet. Natürlich ist es wichtig, sich eine schwierige Situation genau anzusehen, um das Ausmaß zu verstehen. Aber dann sollten Sie gedanklich umschwenken und sich der Lösung zuwenden. – Suchen Sie nach Chancen und Möglichkeiten, die sich Ihnen selbst in Ausnahmesituationen bieten. Verharren Sie nicht beim Problem und dessen Ursachen, sondern wenden Sie sich der Lösung und Ihren Zielen zu.
Flexibilität
Nicht selten stehen wir einer Lösung selbst im Weg. Schuld daran ist häufig das Festhalten an Altem und anscheinend Bewährtem, an Routinen und eingefahrenen Wegen. Unvorhergesehenes wirft uns zusätzlich zurück, weil es uns überfordert. – Öffnen Sie sich. Nehmen Sie Unvorhergesehenes sportlich. Begrüßen Sie es wie einen Freund. Improvisieren Sie, und entwickeln Sie eine innere Freude an Ihrer geistigen Flexibilität.
Egal wie sehr eine Situation Sie belastet oder wie schwer ein Problem aktuell wiegen mag, behalten Sie das Bild der Feder im Kopf und verinnerlichen Sie es für sich. Egal wie sehr eine Belastung Sie zusammendrücken mag, machen Sie sich bereit, zurückzuschnellen und sich wieder zu ganzer Größe aufzurichten.
Interview
Im Gespräch mit DAK-Resilienz-Coaches Katja Ferber und Stefan Dopheide
Sie beide stehen Unternehmen in der Beratung zur Förderung der Resilienz von Mitarbeitern wie Unternehmen zur Seite. Worauf genau richtet sich der Fokus dieses Angebots?
Katja Ferber: Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen („Kopfarbeitergesellschaft“) führen zu einer vermehrten Stressbelastung. Immer dringender stellt sich die Frage: Was sind die Auslöser von Stress und wie lassen sich diese minimieren? Resilienz meint in diesem Kontext, Wege zur Stressbewältigung zu erkennen, die individuelle psychische Belastbarkeit zu erhöhen, Ressourcen zu aktivieren.
Stefan Dopheide: Wir haben uns als Resilienz-Coaches qualifiziert für die Bereiche personale und organisationale Resilienz. Im Rahmen von Prävention sollen Resilienzfaktoren bei Mitarbeitern und Organisationen gestärkt werden.
K.F.: Genau. Wir wollen dieses zentrale Thema in Unternehmen platzieren: Wie lässt sich die Resilienz der Mitarbeiter fördern, wie die der Organisation selbst?
S.D.: In beiden Fällen geht es darum: Welche Ressourcen lassen sich aktivieren? Welche Entwicklungspotenziale können gehoben werden? Wohin genau will das Unternehmen steuern?
In den meisten Unternehmen geht der Begriff Change ja mit Verunsicherung einher, der Angst vor Veränderung bzw. vielmehr den Auswirkungen, die Veränderungen haben können. Auf den eigenen Arbeitsplatz, die individuelle Kompetenz …
K.F.: Gerade dann ist es wichtig, den inneren und äußeren Belastungsdruck zu reduzieren.
S.D.: Hier stellt sich ja zuerst einmal die Frage: Was ist das eigentlich: resiliente Führung? Wie lassen sich Mitarbeiter motivieren, welche Ansprache benötigen sie? Wie können sie für den Change gewonnen werden?
Was bieten Sie Unternehmen konkret an?
K.F.: Wie beraten Unternehmen, geben Anregungen, auf welche Weise und mit welchen Maßnahmen Resilienz im Unternehmen etabliert werden kann. Wo also würde das Unternehmen gewinnen?
S.D.: Und wir bieten Vorträge, Workshops und Seminare an, um eine Auseinandersetzung mit dem Thema zu fördern.
Sigrid Rahlfes, Dr. Christoph Prang