Die DAK-Gesundheit will mit regionalen Zentren die Pflege im ländlichen Raum verbessern. In Niedersachsen gab nun Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Startschuss für das bundesweit erste Pflegekompetenzzentrum.
Der Altbau ist 90 Jahre alt, doch das sieht man ihm nicht mehr an. Die Wände sind strahlend weiß, durch eine große Glasfront fällt der Blick auf den Arbeitsplatz der Pflegekräfte. Paul Leidner ist sichtlich stolz darauf, was aus dem alten Marienkrankenhaus in Nordhorn geworden ist. Die Caritas hat alle Anbauten entfernt und aus dem ursprünglichen Gebäude von 1927 ein Pflegeheim gemacht. Anfang September sind die ersten Bewohner eingezogen, nun gab es am 1. Oktober den offiziellen Startschuss für das regionale Pflegekompetenzzentrum (ReKo) durch Gesundheitsminister Jens Spahn. Es ist ein gemeinsames Projekt von DAK-Gesundheit, der Gesundheitsregion EUREGIO e.V. und der Universität Osnabrück und wird mit zehn Millionen Euro vom Innovationsfonds der Bundesregierung gefördert. Ein großer Tag für Nordhorn, aber auch für Paul Leidner.
Leidner führt die Geschäfte. „Wir treten ein Erbe an“, sagt er. Jeder in Nordhorn sei schon hier gewesen, wurde hier geboren, hat Kinder bekommen, Sterbende verabschiedet. Er tritt in die Fußstapfen eines etablierten Hauses, weiß Leidner: „Daran werden wir gemessen.“
Er hat den guten Ruf halten können. Die Cafeteria ist nicht nur bei den Bewohnern des Pflegeheims beliebt, auch die Menschen aus den seniorengerechten Wohnungen nebenan kommen oft hierher. Die Gottesdienste in der kleinen Kapelle sind gut besucht und bald soll es hier auch Konzerte geben. Eine Kamera überträgt alle Veranstaltungen auch in die Zimmer – so kann jeder daran teilhaben.
Gesundheitsminister Jens Spahn ist von der Umsetzung überzeugt: „Das regionale Kompetenzzentrum vernetzt alle Akteure der Pflege und setzt dabei auf moderne Technologien. Das ist eine große Chance für die Region, die Situation von Pflegebedürftigen und deren Familien wie auch der Pflegekräfte zu verbessern. Dafür ist das Geld aus dem Innovationsfonds gut angelegt“, so der Minister bei der feierlichen Eröffnung. Er lobte vor allem auch die Vernetzung von Pflegeakteuren über Staatsgrenzen hinweg. „Die Gesundheitsregion EUREGIO kann die Versorgung der Menschen in deutschen und niederländischen Kommunen weiter verbessern.“
Der Projektstart am 1. Oktober fand im Rahmen eines länderübergreifenden Gesundheitsgipfels mit dem Titel „Regionales Pflegekompetenzzentrum (ReKo) – Potenziale gemeinsam heben“ statt. „Ich freue mich darauf, das Projekt gemeinsam in einem großen Team umzusetzen“, sagte auch Thomas Nerlinger, Geschäftsführer der Gesundheitsregion EUREGIO. „Ich bin mir sicher, dass das Regionale Pflegekompetenzzentrum die Lebensqualität der Menschen verbessern wird. Wir werden die guten Gesundheitsstrukturen in den ländlich geprägten Landkreisen unserer Region nachhaltig weiterentwickeln.“ Die Gesundheitsregion EUREGIO umfasst 129 Kommunen, ein Drittel davon liegt in den Niederlanden.
Die Kreisstadt Nordhorn liegt im Landkreis Grafschaft Bentheim, in direkter Nähe zu den Niederlanden. Die Städte Almelo, Hengelo und Enschede sind nur knapp 30 Kilometer entfernt. Die Region endet hier keinesfalls an der Grenze. Das St. Marien-Haus ist ein hochmodernes Heim, das alle Pflegeformen anbietet, auch Tagespflege in schönen, offenen Räumen. Das Personal arbeitet digital. Die Dokumentation – notwendig, aber ein echter Zeitfresser in der Pflege, daher wird diese vor Ort mit Tablets erledigt.
Ein Kompetenzzentrum bündelt alles, was für gute Pflege wichtig ist: Arztpraxen, Apotheken, Beratungsstellen, Betten für Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege, betreute Wohngemeinschaften und vieles mehr bis hin zu Räumen für Konzerte und Lesungen. Das meiste davon gibt es in Nordhorn bereits. Mit der Förderung schafft die DAK-Gesundheit jetzt den Rahmen, der alles optimal zusammenführt. Einerseits soll das sogenannte Case Management, also die Organisation der verschiedenen Elemente der Pflege, jedem Einzelnen die bestmögliche Versorgung sichern. Andererseits sollen digitale Anwendungen die Pflege erleichtern, indem zum Beispiel Patientendaten schneller zwischen Ärzten und Pflegediensten ausgetauscht werden.
Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit, sieht in dem Projekt in Niedersachsen nur den Anfang. Es soll Vorbild sein für weitere Standorte. „In Nordhorn haben wir ideale Voraussetzungen gefunden, um unser Konzept schnell in die Praxis umzusetzen“, so Storm. In anderen Regionen könne die Nutzung von Krankenhäusern als ReKo eine Chance sein, Strukturen im ländlichen Raum zu erhalten und sinnvoll für die Menschen vor Ort zu nutzen. „Im Mittelpunkt stehen die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen, die wir mit dem Regionalen Pflegekompetenzzentrum unterstützen“.
Helge Dickau / Florian Kastl