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Mehr Freiheit für Selbstständige

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Die Bundesregierung streicht zum 1. Januar 2019 die Sonderregelungen zum unterstellten Mindesteinkommen für hauptberuflich Selbstständige zur Berechnung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und entlastet dadurch viele kleine Unternehmer erheblich.

Ihr eigener Chef sein, auf eigenen Füßen stehen – für Katrin Martens war das ein Traum. Weil ihr Job als Krankenschwester parallel zur Betreuung ihrer zwei Kinder zu unflexibel war, kündigte sie und startete als mobile Fußpflegerin in die Selbstständigkeit. Keine Schichtdienste, kein Klinik-Stress und viel Zeit, wenn die Kinder aus der Schule kommen: Wann Katrin Martens arbeitet, bestimmt sie seither selbst.

Doch mehr als 300 bis 400 Euro im Monat steuert die 37-Jährige nach Abzug der Kosten nicht zum Familieneinkommen bei. Denn dass Katrin Martens trotz eines treuen Kundenkreises und zunehmender familiärer Freiheiten ihr Geschäft nicht ausweitet, hat mit ihrer Krankenversicherung zu tun: „Sobald ich mehr als 450 Euro verdiene, muss ich mich selbst versichern und das wird sofort teuer“, erklärt sie. „Da bleibe ich lieber in der Familienversicherung meines Mannes.“

Hohe Hürde für Kleinverdiener

Tatsächlich müssen gesetzlich Versicherte für den Schritt in die hauptberufliche Selbstständigkeit eine hohe Hürde nehmen: Sie werden als freiwillig versicherte Mitglieder eingestuft und müssen den Beitrag allein schultern. Einen Beitragszuschuss wie bei Arbeitnehmern gibt es nicht. Hinzu kommt: Wenn die tatsächlichen Einnahmen einen gewissen Betrag unterschreiten, wird zur Berechnung des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags ein unterstelltes Mindesteinkommen herangezogen, das 3/4 der monatlichen Bezugsgröße entspricht.

Mindesteinkommen wesentlich reduziert

Ab dem 1. Januar 2019 wird diese Regelung geändert: Die Bundesregierung streicht die  Sonderregelungen zum unterstellten Mindesteinkommen für hauptberuflich Selbstständige. Es gilt dann das allgemeine Mindesteinkommen für freiwillig Versicherte von 1/3 der monatlichen Bezugsgröße. Damit wird der Mindestbeitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung für hauptberuflich Selbstständige um mehr als die Hälfte gesenkt. Gerade Selbstständige mit geringen Einnahmen werden spürbar entlastet, heißt es beim Bundesministerium für Gesundheit. Zusätzlich würden auch die Krankenkassen profitieren, weil Kosten wegfallen, die durch den Bearbeitungsaufwand für Härtefälle und Existenzgründer entstehen.

Ein Dorn im Auge

Die hohe Mindestbezugsgröße war Politikern und Gründerverbänden seit Jahren ein Dorn im Auge – nicht zuletzt deshalb, weil viele „Solo-Selbstständige“ ihre Beiträge bei Einnahmeschwankungen nicht zahlen konnten. „Durch die Veränderungen des Arbeitsmarktes in den letzten Jahren hat sich auch die selbstständige Tätigkeit verändert. Viele Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer sind daher mit dem derzeitigen Mindestbeitrag überfordert“, lautet die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung. Die Regelung sollte ursprünglich vermeiden, dass Selbstständige ihren Verdienst kleinrechnen und so das solidarisch finanzierte System der Krankenversicherung ausnutzen. Außerdem ging man in der Vergangenheit eher von Gutverdienern unter den Selbstständigen aus. Für Katrin Martens kommt die gesetzliche Neuerung ohnehin zu spät. Inzwischen hat sie ein attraktives Angebot eines nahe gelegenen Krankenhauses für einen Teilzeitjob erhalten und angenommen. Die Selbstständigkeit ist für sie aber nicht ganz vom Tisch. „Vielleicht überlege ich es mir später ja noch. Die Freiheit habe ich ja jetzt.“

Kurz und kompakt

Die neue Regelung ab 1. Januar 2019:

  • Bisherige monatliche Mindestbeitragsbemessungsgrundlage zur Berechnung des KV- und PV- Beitrages: 3/4 der monatlichen Bezugsgröße (entspricht dem 30-fachen des 40.Teils)
  • Monatliche Grundlage ab 1. Januar 2019: 1/3 der monatlichen Bezugsgröße (entspricht dem 30-fachen des 90.Teils)
  • Bisherige Regelungen für Härtefälle und Existenzgründer (1/2 der monatlichen Bezugsgröße) entfallen

Bei den Einkommen zeigt sich eine breite Streuung:

  • Ein eher kleiner Teil erreicht hohe Einkünfte
  • Bezieher geringer und mittlerer Einkommen verdienen je Stunde weniger als entsprechende Arbeitnehmer
  • In vielen Berufen mit hoher Qualifikation kommen „Solo-Selbstständige“ oft nur auf niedrige Einkünfte. Mitunter sind sie so gering, dass sie allein kaum zum Leben aus- reichen dürften.

Reinhild Haacker