Unerkannt eine echte Gefahr – Sepsis ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Werden die Warnzeichen rechtzeitig festgestellt, lässt sich eine Vielzahl von Todesfällen vermeiden.
Was kaum jemand weiß: Eine Sepsis ist immer ein Notfall. Unbehandelt ist sie tödlich und deswegen auf eine Stufe zu stellen mit Herzinfarkt und Schlaganfall. Allein in Deutschland erkranken rund 230.000 Menschen pro Jahr an einer Sepsis – über 85.000 Menschen sterben daran.
Doch frühes Erkennen und Behandeln kann Todesfälle vermeiden und Spätfolgen mildern. Deswegen unterstützt die DAK-Gesundheit die Kampagne „Deutschland erkennt Sepsis“. Diese macht bundesweit auf Sepsis aufmerksam und wendet sich auch an pflegende Angehörige, denn sie können oft am besten erkennen, wenn eine Veränderung beim Pflegebedürftigen eintritt.
SEPSIS-CHECK
Eine Sepsis kann sich sehr unterschiedlich bemerkbar machen. Besonders in Kombination mit Risikofaktoren wie offenen Wunden, Kathetern oder einem geschwächten Immunsystem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, eine Sepsis zu entwickeln. Eine interaktive und mehrsprachige Checkliste zur schnellen Unterscheidung zwischen unkomplizierten Infektionen und den Verdachtszeichen für eine Sepsis finden Sie auf der Seite www.sepsischeck.de.
Häufige Anzeichen sind:
• Fieber (kann auftreten, muss nicht)
• Verwirrtheit oder Desorientiertheit
• Wesensveränderung
• schneller Puls, Herzrasen
• Kurzatmigkeit, schnelle Atmung
• beschleunigte Atmung (≥ 22 Atemzüge/Minute)
• feuchte, kalte oder fleckige Haut
• starkes Unwohlsein
• extremes, nie vorher gekanntes Krankheitsgefühl
Stellen Sie zwei oder mehrere dieser Symptome fest, kontaktieren Sie den Notruf unter 112 und schildern Sie die Krankheitszeichen. Fragen Sie möglichst direkt nach, ob es eine Sepsis sein könnte. Weisen Sie auch auf akute Infektionen und Risikofaktoren wie Katheter oder offene Wunden hin.
SCREENEN RETTET LEBEN
Warum ist es selbst für medizinisch geschultes Personal schwierig, eine Sepsis zu erkennen?
Das liegt daran, dass die Symptome sehr unspezifisch sind und viele andere Krankheiten ähnliche Symptome haben. Ein Beispiel: Bewusstseinsstörungen, bei denen jemand schläfrig wird, durcheinander oder nicht mehr orientiert ist – das sind Anzeichen, die auch bei einem Schlaganfall oder bei einer Vergiftung auftreten. Hohes Fieber und schnelle Atmung treten auch bei der normalen Grippe auf.
Wie lässt sich eine Sepsis zweifelsfrei feststellen?
Durch strukturiertes Vorgehen. Wir haben dafür eine Kitteltaschenkarte. Dort sind Kriterien aufgeführt wie schnellere Atmung, schneller Herzschlag, Bewusstseinsveränderungen, Fieber, Veränderungen an der Haut. Alle kritisch kranken Patientinnen und Patienten müssen auf diese Kriterien gescreent werden. Werden zwei erfüllt, wird weitergesucht: Gibt es zum Beispiel einen Infektionsherd? Hat die Lunge Probleme? Ist eine Kanüle entzündet? Dies können Hinweise auf eine Sepsis sein. Es ist wichtig, sehr systematisch vorzugehen, dann ist das Krankheitsbild gut zu erkennen. Daten belegen, dass das systematische Screenen Leben rettet, weil eine schnellere Behandlung möglich ist.
Was wünschen Sie sich für die Sepsis-Früherkennung?
Vor allem, dass die Bevölkerung über Sepsis Bescheid weiß, ähnlich wie beim Herzinfarkt. Alle sollten das Wort „Sepsis“ schon mal gehört haben und ungefähr wissen, was es für Anzeichen gibt. Niemand sollte mehr glauben, dass eine Tetanusimpfung eine Sepsis verhindern kann oder dass ein roter Strich in Richtung Herz auf eine Sepsis hindeutet. Außerdem muss das Screening-Instrument überall zum Standard werden. Wenn das gelingt, kann die Sepsis auch eher erkannt werden.
PD Dr. med. habil. Matthias Gründling, SepsisDialog der Universitätsmedizin Greifswald
Text und Interview: Nina Alpers