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„Wenn man sich impfen lässt, kann man Corona für sich abhaken.“

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Die Impfkampagne nimmt weiterhin Fahrt auf, ab dem 7. Juni wird die Impfpriorisierung aufgehoben. Wie geht es dann weiter? Wie sicher ist die Impfung und ab wann ist ein normaler Alltag wieder möglich? Das haben wir Dr. Dirk Heinrich, den Medizinischen Leiter des Hamburger Impfzentrums und Vorsitzenden des Verbandes der niedergelassenen Ärzte (Virchowbund), gefragt.

 

Die Impfpriorisierung wird zum 7. Juni aufgehoben. Doch wie geht es dann weiter? Noch scheinen die Nachfrage groß und die Termine knapp zu sein.
Es ist jetzt schon so, dass die Priorisierung an allen Ecken und Enden ausgefranst ist. Gerade für Praxen ist es zunehmend schwierig, Menschen zu finden, die der entsprechenden Priorisierungsgruppe angehören. Daher halte ich es aus praktischen Erwägungen heraus für richtig, die Priorisierung zu beenden. Ab dann ist es ein first come, first serve.

Dr. Dirk Heinrich, medizinischer Leiter des Hamburger Impfzentrums und Vorsitzender des Verbandes der niedergelassenen Ärzte (Virchowbund)

(Foto/Copyright: Virchowbund/Lopata)

 

Wie schätzen Sie den Fortschritt der Impfkampagne in Deutschland ein?

Derzeit liegen wir bei einer Impfquote von etwa 42 Prozent, bis Ende Juni werden wir die 50 Prozent deutlich überschreiten. Da sind wir doch schon sehr weit gekommen. Das ist ein guter Fortschritt, mit dem wir zufrieden sein können. Der limitierende Faktor ist und bleibt jedoch der Impfstoff.

 

Wie ist der Ablauf im Impfzentrum, und gibt es hier Unterschiede zur Impfung in einer Praxis?
Der Ablauf unterscheidet sich nicht. Wir stellen im Impfzentrum die gleichen Fragen wie die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und führen ein Aufklärungsgespräch. Nach der Impfung werden die Impflinge sehr sorgfältig beobachtet und für Notfälle wie allergische Schocks ist im Impfzentrum immer eine Notärztin oder ein Notarzt vor Ort.
Nicht alle Impfstoffe sind gleichermaßen beliebt. Wie wird im Impfzentrum damit umgegangen, wenn sich Impflinge einen anderen Impfstoff wünschen?
Es gibt kein Wunschkonzert. Man muss nehmen, was auf den Tisch kommt. Es ist ein Impfangebot und jedem ist freigestellt, es anzunehmen oder nicht. Wer einen Impfstoff ablehnt, muss sich jedoch wieder hinten anstellen und um einen neuen Termin bemühen.

 

Wie lange sind wir geschützt? Muss die Impfung jährlich erneuert werden?
Das wissen wir noch nicht, denn die Beobachtungszeit ist noch nicht lang genug. Wir gehen im Moment davon aus, dass die Impfstoffe etwa neun Monate lang wirken. Dieser Rückschluss beruht auf Antikörpermessungen von Infizierten, denn Antikörper lassen sich etwa neun Monate lang bei ehemals Infizierten nachweisen.

Wird es für die Auffrischungsimpfungen ausreichend Impfstoff und Termine geben?
Nach dem, was wir von der Politik hören, sollen die Produktionskapazitäten so hoch sein und so viel bestellt worden sein, dass genug Impfstoff für alle da ist. Eine Auffrischimpfung ist zudem leichter durchzuführen als eine Doppelimpfung, daher bin ich zuversichtlich, dass die Haus- und Facharztpraxen das gut bewerkstelligen können.

 

Was muss vor und nach einer Impfung gegen das Coronavirus beachtet werden? Kann ich meinen Körper dabei unterstützen, damit die Impfung gut wirkt?
Man sollte nichts nehmen, was die Immunantwort des Körpers auf den Impfstoff unterdrückt. Vorsorglich Schmerzmittel zu nehmen ist aus meiner Sicht ein No Go, das würde ich auf keinen Fall tun. Ansonsten gibt es keine Besonderheiten und es gilt das Gleiche wie bei allen anderen Impfungen.
Können/sollten auch Genesene geimpft werden?
Die Ständige Impfkommission empfiehlt, Genesene nach frühestens sechs Monaten zu impfen. Werden sie früher geimpft, könnte es zu stärkeren Impfreaktionen kommen, da im Körper noch Antikörper vorhanden sind. Nach diesen sechs Monaten sollten Genesene meiner Meinung nach geimpft werden, da ja durchaus die Möglichkeit besteht, sich mehrmals mit dem Coronavirus zu infizieren und andere anzustecken. Es wird dann auch nur einmal geimpft.

 

Die Öffentlichkeit beschäftigt immer wieder die Frage, ob es für Geimpfte Privilegen geben sollte. Wie schätzen Sie das ein?
Aus Israel und Schottland wissen wir, dass Geimpfte sich nur noch selten infizieren können und dann das Virus nur zu einem sehr kleinen Prozentsatz weitergeben. Ich finde die Lockerungen für Geimpfte richtig und auch, dass man sie mit Getesteten gleichstellt. So hat man keine Bevorzugung und alle haben die Möglichkeit, von den Lockerungen zu profitieren. Die Gleichstellung nimmt der Debatte zudem Zündstoff.

 

In den letzten Wochen haben vermehrt Menschen den Termin für ihre Zweitimpfung nicht wahrgenommen. Macht Sie das wütend?
Ja, das ärgert mich sehr. Was kann denn derzeit wichtiger sein, als geimpft zu werden? Da fällt mir nichts ein und ich habe null Verständnis dafür. Millionen von Menschen warten darauf, endlich einen Impftermin zu bekommen. Es ist einfach dreist, nicht zum Termin zu erscheinen. Zudem bringt das den gesamten Ablauf im Impfzentrum durcheinander. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Impfzentrum wollen jeden Tag die volle Kapazität nutzen und tun alles dafür, möglichst viele Menschen zu impfen. Da wäre etwas Respekt angebracht.
Viele Menschen fühlen sich bereits nach dem ersten Piks unverwundbar. Ab wann sinkt das Risiko, sich und andere anzustecken?
Den vollen Impfschutz hat man – mit Ausnahme vom Impfstoff von Johnson & Johnson – etwa zwei Wochen nach der zweiten Impfung. Das Risiko, sich und andere anzustecken, sinkt zwar schon nach der ersten Impfung, Sorglosigkeit und Leichtsinn sind aber trotzdem nicht angebracht.
Wann wird sich unser Alltag wieder normalisieren? Wie ist Ihre Prognose?
Im Sommer werden wir ein einigermaßen normales Leben draußen führen können und im Herbst wird das auch drinnen möglich sein. Dann haben wir sicherlich 60 bis 70 Prozent Geimpfte, der Rest kann sich testen lassen. Das ermöglicht einen ausreichend umfangreichen Schutz, damit Veranstaltungen innen wieder möglich sind und kein Risiko mehr darstellen.
Was sagen Sie Menschen, die noch unentschlossen sind, ob sie sich impfen lassen sollen?
Millionen von Menschen haben die Impfung schon lange hinter sich. Auf Basis dieser Daten kann ich sagen, dass es sich um sichere Impfstoffe handelt. Zudem schützen sie sehr erfolgreich vor einer Infektion. Die sinkenden Infektionszahlen, ausbleibende Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen und das sinkende Durchschnittsalter auf Intensivstationen sind nicht nur Ergebnis des Lockdowns, sondern auch der steigenden Impfquote. Und ich möchte betonen: Wir befinden uns in der Pandemiebekämpfung und führen hier weder Reiseimpfungen durch noch tragen wir zur Selbstoptimierung bei. Wir wollen, dass die gesamte Gesellschaft gesundet und das normale Leben zurückkehrt. Dazu müssen alle beitragen. Dafür müssen die Menschen sich impfen lassen, ihre Impftermine einhalten, die Zweitimpfung wahrnehmen und sich weiterhin an die Corona-Maßnahmen halten. Die gelten nach wie vor und wir sind da noch nicht wieder raus. Es wird nicht so sein, dass wir diese Erkrankung vom Erdball verbannen können, sondern sie wird vermutlich ein Dauerbegleiter werden. Und jeder, der sich heute nicht impfen lässt, wird irgendwann an Corona erkranken. Das muss man ganz klipp und klar sagen. Die Impfung ist also nicht nur als Beitrag für die Gesellschaft wichtig, sondern auch für einen selbst. Denn wir werden mit Corona leben müssen. Aber wir haben hervorragende Impfstoffe und die mRNA-Impfstoffe lassen sich schnell abwandeln, sodass Nachimpfungen leichter, besser und schneller als bisher möglich sind. Wenn man sich impfen lässt, kann man Corona für sich abhaken. Es gibt also keinen Grund, nein zur Impfung zu sagen.

Interview: Janina Fortmann

Wie unterscheiden sich Vektor- und mRNA-Impfstoffe?

Vektorimpfstoffe bestehen aus für den Menschen harmlosen Viren, den sogenannten Vektoren. Die Vektoren sind im Menschen nicht oder nur sehr begrenzt vermehrungsfähig. Damit das menschliche Immunsystem die Abwehr gegen den Krankheitserreger aufbauen kann, muss es mit Molekülen (Antigenen) des Krankheitserregers in Kontakt kommen. Entweder kann in einem Vektor ein Molekül aus der Virushülle des Vektors gegen ein Molekül aus der Hülle des Krankheitserregers ausgetauscht sein. Oder der Vektor enthält die Information zum Aufbau von einem oder mehreren Protein-Molekülen (Antigenen) des Krankheitserregers. Diese Information wird dann in der menschlichen Zelle abgelesen, das Antigen des Krankheitserregers hergestellt und dem Immunsystem präsentiert. Somit wird die beim Impfen erwünschte Immunantwort ausgelöst.

Bei mRNA-Impfstoffen werden keine Krankheitserreger oder deren Bestandteile (Antigene) für die Immunisierung benötigt. Durch die Impfung wird den Zellen im Muskelgewebe in Form einer mRNA (messenger-RNA bzw. Boten-RNA) nur die Information für die Herstellung einzelner Antigene übertragen. Ähnlich der Infektion mit einem Virus, beginnt die Zelle nach dem Bauplan der mRNA mit der Produktion von Proteinen, die als Antigene dem Immunsystem präsentiert werden und eine Immunantwort auslösen. Da es sich nur um einzelne Proteine handelt, die von den Zellen hergestellt werden, ist mit dieser Methode keinerlei Infektionsrisiko vorhanden. mRNA-Impfstoffe können das Erbgut nicht verändern. Bei mRNA handelt es sich um ein Botenmolekül, das nicht in die DNA einer Zelle eingebaut werden kann und das relativ schnell vom Körper abgebaut wird. Eine Veränderung des Erbguts, also eine Beeinträchtigung der Keimzellen (Eizellen bzw. Spermien), kann damit nicht stattfinden.

Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung