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Familie & Freizeit

Wenn sich alles ums Daddeln, Chatten und Streamen dreht

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In der Pandemie hat sich die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen verdoppelt. Inzwischen sind mehr als sechs Prozent der Minderjährigen abhängig von Computerspielen und sozialen Medien. Damit haben über 600.000 Jungen und Mädchen ein pathologisches Nutzungsverhalten. Auch die Medien-Nutzungszeiten sind seit 2019 um ein Drittel gestiegen. Das zeigt eine aktuelle gemeinsame Längsschnittstudie der DAK Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).

DAK-Chef Andreas Storm ist alarmiert: „Wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird, rutschen immer mehr Kinder und Jugendliche in die Mediensucht und der negative Trend kann nicht mehr gestoppt werden. So werden Familien zerstört und die Zukunft vieler junger Menschen bedroht.“

Was ist Sucht?

„Sucht ist das nicht mehr kontrollierbare Verlangen nach einem bestimmten Gefühls-, Erlebnis- und Bewusstseinszustand“ – so die offizielle Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Wer viel Zeit mit Medien verbringt, ist nicht automatisch süchtig. Ab wann der Medienkonsum problematisch wird, zeigen verschiedene Indikatoren:
• weniger reale Sozialkontakte
• kein oder wenig Interesse an anderen Hobbys
• immer häufigerer und längerer Medienkonsum
• verdrehter Tag-Nacht-Rhythmus
• gedrückte Stimmung (zum Beispiel launisch, aggressiv, depressiv verstimmt)
• Vernachlässigung von Aufgaben (zum Beispiel zunehmende Fehlzeiten in der Schule, Aufschieben von Hausaufgaben)
• körperliche Beschwerden wie Kopf- und Nackenschmerzen und Verspannungen

Austauschen, Zuhören und Empowern
Die Initiative niceones macht sich auf Instagram stark gegen Stress, Bodyshaming, Onlinesucht und Mobbing. Mit dabei sind die bekannten Influencerinnen und Influencer Roland „Roli“ Golsner, Jonas Ems und Jackie Alice sowie die Psychologin Linda-Marlen Leinweber. So gibt es zum Beispiel jede Menge Tipps, Austausch und Denkanstöße zum Thema Onlinesucht. Das klingt vielleicht erst mal widersprüchlich – auf Social Media das Thema Mediensucht zu beleuchten. Doch genau darum geht es ja: einen gesunden Umgang mit den sozialen Medien zu finden. Dabei – und bei vielem mehr – unterstützen die niceones.

 

Mehr über die niceones auf dak.de/niceones oder bei Instagram auf dem Kanal @niceones.de.

Weitere Angebote für Kinder und Jugendliche

DAK Smart4me ist ein kostenloses Onlineprogramm für Jugendliche ab zwölf Jahren, das ihnen hilft, die „seelischen Abwehrkräfte“ zu stärken: dak.de/smart4me

Während smart4me jüngere Teenager anspricht und ihnen eine Anlaufstelle und anonymen Austausch bei Stress und Ängsten anbietet, richtet sich Nico gezielt an 15- bis 20-Jährige und sensibilisiert für Themen wie Mobbing, Bodyshaming und Onlinekonsum: dak.de/nico

Das Selbsthilfeprogramm Just be smokefree motiviert junge Raucherinnen und Raucher, sich mit ihrem Rauchen auseinanderzusetzen. Zudem gibt es konkrete Hilfen zum Rauchstopp: justbesmokefree.de

Weiterführende Informationen bieten auch die Broschüren für Kinder und Jugendliche sowie deren Angehörige unter: mediensuchthilfe.info/unsere-broschueren

Prof. Dr. Rainer Thomasius

"Die Rückkehr in die reale Welt fällt vielen schwer"

Warum Mediensucht seit der Pandemie zugenommen hat, erklärt Prof. Dr. Rainer Thomasius, ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

Wie bewerten Sie die Entwicklung, die sich in der Längsschnittstudie zeigt?
Während der Coronapandemie sind Hobbys und Treffen im Freundeskreis eingestellt worden. Kinder und Jugendliche haben gelernt, über das Internet mit Freundinnen und Freunden zu chatten und Spaß zu haben. Vielen fällt es jetzt schwer, in die reale Welt zurückzukehren – zu Sport, Hobbys und dem Freundeskreis. Und viele Jugendliche, die bereits vor der Pandemie riskantes Nutzungsverhalten aufwiesen, sind unter den zusätzlichen Belastungen der Pandemie in eine Mediensucht geraten. Digitale Medien können auch dazu dienen, Gefühle von Einsamkeit, sozialer Isolation und Kontrollverlust, aber auch Stress und andere negative Gefühle zu kompensieren. Diese Nutzerinnen und Nutzer sind besonders gefährdet, eine Sucht zu entwickeln. Da in diesem Fall persönliche, familiäre und schulische Ziele in den Hintergrund treten, werden alterstypische Entwicklungsaufgaben nicht angemessen gelöst. Ein Stillstand in der psychosozialen Reifung ist die Folge.

Vor allem Gaming hat eine Sogwirkung. Was sind hier die Motive?
Beim Gamen tauchen die Jugendlichen in virtuelle Welten ab. Sie geben sich dem Spielverlauf hin und statten sich mit Avataren aus, die Macht, Stärke und Vollkommenheit symbolisieren. In der virtuellen Gemeinschaft können die Beziehungen zu Mitspielenden kontrolliert werden, sind steuerbar und machen weniger Angst. Das ist vor allem für männliche Jugendliche interessant, die schüchtern und in realen Kontakten selbst unsicher sind. In der Fantasiewelt der Spiele lässt sich die persönliche Not scheinbar ins Gegenteil verkehren.

Gibt es alternative Strategien zum Gaming?
Wir raten Eltern und Angehörigen, an der Medienaktivität des Kindes interessiert zu sein, hinzuhören und den Überblick zu behalten. Tauschen Sie sich mit Ihrem Kind sowie mit Angehörigen über die Vor- und Nachteile von digitalen Medien aus! Die Medienkompetenz von Angehörigen schützt junge Menschen davor, einen problematischen Medienkonsum zu entwickeln. Eltern sollen auch Vorschläge für die aktive Freizeitgestaltung fernab des Internets anbieten, mit positiven Erlebnissen und Möglichkeiten zur aktiven Stressbewältigung.

Achtung, Mischkomsum Nicht nur die Mediensucht, auch das Rauchen nimmt wieder zu, wie eine aktuelle Studie* zeigt. Der Anteil der Raucherinnen und Raucher bei den 14- bis 17-Jährigen ist 2022 auf mehr als 15 Prozent angestiegen. 2021 waren es noch 8,7 Prozent. E-Zigaretten und Einweg-E-Zigaretten, die sogenannten Vapes, werden unter anderem von Deutschrappern und Influencerinnen beworben und vermitteln das Bild eines ungefährlichen Konsums. Doch vielmehr kommt es dadurch zum zunehmenden Phänomen des Mischkonsums, bei dem Mediensucht und Rauchen vermischt und die Gefahren für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen weiter verstärkt werden. * Deutsche Befragung zum Rauchverhalten (Debra).