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Denen Wärme geben, die es brauchen

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Nach einer überstandenen Krankheit wollte Jana Behrens von ihrem Glück etwas abgeben. Beim „Hamburger Gabenzaun“, einem Verein, der Obdachlosen hilft, engagiert sie sich seither ehrenamtlich.

„Offen für alle Menschen“, so beschreibt sich Jana Behrens (54). Die DAK-Versicherte arbeitet bei der Beiersdorf AG in der Pressestelle, ihre Tochter ist längst erwachsen. Für Obdachlose hatte sie schon früher immer ein paar Münzen übrig. „Einem habe ich auch mal einen Kaffee gekauft und war enttäuscht, weil er den nicht wollte.“ Auf Nachfrage erfuhr sie, dass der Mann an dem Tag schon etliche Becher bekommen hatte. Nach einer längeren Krankheitsphase suchte sie Ende 2017 nach einem Ehrenamt: „Ich wollte für das Glück, das ich mit meiner Genesung hatte, etwas zurückgeben.“ Eine Geldspende war nicht das, was ihr vorschwebte, sondern Begegnungen, praktisches Tun, „ein Zuhause für meine Ideen“.

(K)ein Platz für Obachlose: Aus dem abweisenden Zaun wurde ein Ort der Solidarität.

Sachspenden und mehr: Das Hilfsteam unterstützt, wo es kann.

Hilfen für Zaungäste

Ausgerechnet in der glitzernden Adventszeit kam die Hamburgerin auf ihr Thema. „Da eilen die Menschen vorbei an einem, der auf einem Stück Pappe sitzt und erbärmlich friert.“ Behrens entdeckte bald einen geeigneten Rahmen für ihr Engagement, den ein Jahr zuvor begründeten Gabenzaun am Hamburger Hauptbahnhof. „Das ist ein Zaun auf einer kleinen Mauer am Heidi-Kabel-Platz. Eigentlich sollte er Obdachlose nur daran hindern, sich zu setzen, wurde aber umfunktioniert.“ Vom Bezirksamt geduldet, kann jeder dort Klarsichtbeutel mit allem anhängen, was beim Leben auf der Straße gebraucht wird: haltbare Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel, Futter für den Hund. Der Anfang 2018 gegründete Verein „Hamburger Gabenzaun e.V.“ betreut das Angebot, zu dem vier Tage pro Woche auch Kaffee und Snacks für die Bedürftigen gehören. „Im Gespräch versuchen wir dann, Brücken zu weiteren Hilfen zu bauen.“

Immer wieder freitags

Bei ihren ersten eigenen Tüten machte Jana Behrens Anfängerfehler: „Da waren Äpfel drin. Viele unserer ‚Zaungäste‘ haben Zahnprobleme. Weiches Obst ist besser, Bananen zum Beispiel.“ Ihr fester Tag am Zaun ist der Freitag. Anfangs bummelte sie damit Urlaubstage ab. Mittlerweile hat sie ihre Arbeitszeit zugunsten des Ehrenamts auf 80 Prozent reduziert. Schon mittwochs nach der Arbeit geht es los: „Wir planen, was wir brauchen, abhängig vom Wetter und davon, was ‚Stammgäste‘ bei uns bestellt haben.“ Aus ihrem Spendenlager wird am Donnerstag das Auto, die „Zaunfeuerwehr“, beladen. Behrens‘ Mann, selbst kein Vereinsmitglied, ist ihr bei allem eine wichtige Stütze. Freitags zwischen 14.30 Uhr und 16.30 Uhr schließlich hat Behrens bis zu 150 Bedürftige am Gabenzaun zu Gast, überwiegend Männer.

Großer Andrang: Die Mehrheit der Zaungäste ist männlich.
Mahlzeit: Am Zaun gibt es jetzt auch warmes Essen.

Wärme und Empathie

Vom Beginn der Pandemie an hat der Verein auch warmes Essen ausgegeben, um die Tagesaufenthaltsstätten zu entlasten. Auch für Obdachlose gilt: bitte Abstand halten und Maske auf. Um Gedränge zu vermeiden, war man zeitweise auch mit einem Bollerwagen zu den Bedürftigen unterwegs. „Für jemanden, der so sehr Wind und Wetter ausgesetzt ist, wäre Corona ein Todesurteil“, sagt Behrens, die sich im März selbst in ihrem privaten Umfeld infiziert hat. Das liegt mehr als sechs Monate zurück, sie ist auf Treppen und beim Sport aber noch sehr kurzatmig. Besonders liegt es ihr am Herzen, Menschen, „die nicht wissen, wohin, und die sich nicht gewollt fühlen“, einzubinden und ihnen etwas Wärme zu geben. Dass es derzeit nicht möglich ist, die Gäste auch mal zu umarmen, bedauert sie sehr.

Warmherzige Geste: Berührungen sind derzeit nur sehr eingeschränkt möglich.

Ihre Kolleginnen und Kollegen geben Jana Behrens immer mal wieder Sachspenden mit. Bei ihr ist aus dem Ehrenamt auch politisches Engagement erwachsen, etwa für das „Housing First“-Projekt: eigene Wohnungen statt Obdachlosenheime. Vor allem wünscht Behrens sich mehr Empathie. „Niemand lebt freiwillig auf der Straße, dahinter stecken ganz individuelle Schicksale.“ Sie weiß, wie wertvoll schon ein bewusstes Hinsehen und Anlächeln ist, und appelliert deshalb: „Bitte schauen Sie nicht weg, wenn Sie einen Obdachlosen sehen.“

Im Klarsichtbeutel: Genähte Masken

Weitere Informationen

Wie Sie helfen können, welche Sachspenden benötigt werden und wie Sie diese dem Verein auch per Post zukommen lassen können, erfahren Sie unter: hamburger-gabenzaun.de

 

 

Annemarie Lüning
Bilder: Hamburger Gabenzaun e.V., privat