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Hoffnung wirkt wie Medizin

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Wir stolpern von Lockdown zu Lockdown. Wie bleiben wir hoffnungsvoll? Denn Hoffnung gibt uns Energie und schützt unseren Körper und unsere Psyche – und wir können sie trainieren.

Hoffnung ist ein starker Motor im Leben. Doch je länger die Corona-Pandemie andauert und Lockdown sich an Lockdown reiht, umso mehr Gründe gibt es, sich erschöpft, müde, ausgelaugt und frustriert zu fühlen. Der Restaurantbesitzer verliert die Hoffnung für seine wirtschaftliche Existenz, Eltern fühlen sich durch Homeschooling ausgebrannt und fragen sich, wann diese Doppelbelastung endet.

Wie können wir in der frustrierenden Lage und bei Nachrichten einer Virusmutation hoffnungsvoll in die Zukunft blicken? Aus welchen inneren und äußeren Quellen können wir Hoffnung ziehen, um nicht die Kraft für Projekte in der Zukunft zu verlieren? Was weiß die Psychologie über Menschen, die die Hoffnung in ihrem Leben nie aufgegeben haben? Wie schützt Hoffnung unsere Gesundheit und hilft uns, sogar Krankheiten zu besiegen?

Wer hofft? Wer geht unter?

Für Charles Richard Snyder, Psychologe an der University of Kansas, setzt sich Hoffnung aus einer Willenskraft für persönlich bedeutsame Ziele und einer Stärke auf dem Weg zu diesen Zielen zusammen: Hoffnungsvolle Typen arbeiten für ihre Ziele und glauben, sie durch ihre Kräfte zu erreichen. Bei Hindernissen finden sie neue Wege.

Der Stressforscher Curt Richter führte ein spannendes, leider auch grausames Experiment mit Ratten durch, durch das er der Hoffnungsforschung die Hinweise lieferte, wer die Superpower Hoffnung für sich entfaltet. Er warf Ratten in ein Wasserbecken, aus dem es keinen Ausweg gab. Die meisten Tiere strampelten etwas, gaben dann auf und ertranken. Ratten, die während eines zweiten Versuchs vom Versuchsleiter aus dem Wasser gehoben wurden und verschnaufen durften, schwammen danach mehr als 60 Stunden, als sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut ins Bassin geworfen wurden. Die eine Gruppe der Ratten hatten also erlebt, dass ihnen geholfen wurde. Die Erfahrung, dass es sich lohnt, in der Not zu schwimmen, schützte sie, so vermuteten die Forscher, vor Hoffnungslosigkeit.

Urvertrauen ist die Wurzel der Hoffnung

Viele Wissenschaftler glauben, dass ein Gefühl von Urvertrauen beeinflusst, ob wir bei Durstrecken und Rückschlägen neue Hoffnung schöpfen können: Dieses Vertrauen entsteht aus dem Wissen, in der Not nicht allein zu sein.

Doch die Psychologie der Hoffnung kann präziser sagen, wer Hoffnung abruft. Neben dem Vertrauen braucht es eine zweite Säule, die der amerikanische Psychiater Dale Archer entdeckt hat, als er mit Opfern der Hurrikane "Katrina" und "Rita" arbeitete. Einige von ihnen hatten fast ihre gesamte wirtschaftliche Existenz verloren. Archer stellte fest, dass die Menschen unterschiedlich reagierten. Ihm fielen zwei Typen auf: Die einen nannte er "psychologische Opfer", die anderen "psychologische Überlebende".

Die Gedanken der "psychologischen Opfer", kreisten vor allem um die Vergangenheit, sie waren eher passiv und beschäftigten sich mit der Katastrophe. Archer erschienen sie als Gefangene ihrer negativen Gedanken. Die "psychologischen Überlebenden" hingegen richteten ihre Überlegungen auf die Zukunft, sie entwickelten aktiv Ideen, wie sie sich selbst helfen konnten. Ihnen gelang es, Hoffnung und Antriebskraft und den Glauben an die Zukunft zu entfalten. Archer folgerte, dass es Menschen hilft, die Aufmerksamkeit weniger auf die Vergangenheit zu fokussieren, denn auf ihre Möglichkeiten in der Zukunft.

Neugier als entscheidender Faktor

Die Positive Psychologie geht heute davon aus, dass Angst zwar unser Überleben sichern kann, aber dass nur die positiven Gefühle wie etwa Freude, Dankbarkeit oder Hoffnung dazu führen, dass Menschen sich aus einer Krise befreien und Neues aufbauen. Was die Hoffnungsforschung für die aktuelle Corona-Lage interessant macht: Wir selbst entscheiden durch unsere zuversichtlichen Gedanken über den Ausgang der Krise mit, wie gesund wir den Lockdown überstehen und die Zeit danach angehen. Vertrauen in uns und in unsere Mitmenschen scheint neben unserer aktiven Zukunftssicht zu entscheiden, ob wir hoffnungsvoll bleiben.

 

 

"Neugier und Kreativität, die auf Möglichkeiten und Chancen in der Zukunft gerichtet sind, fördern Hoffnungsfähigkeit", sagt Andreas M. Krafft, Wissenschaftler an der Universität St. Gallen. Studien zufolge sind Menschen, die assoziativer denken und dadurch mehr Ideen und Strategien entwickeln, in Krisen hoffnungsvoller und gesünder. Krafft ist daher überzeugt, dass Offenheit für Neues Menschen nutzt und sogar erfinderisch machen kann. Was es jetzt braucht, ist kreatives Zukunftsdenken.

Ob die gesundhaltende Hoffnung eher aktiv oder passiv ist, ist umstritten. Neben dem Vertrauen in die eigene Leistung und Heilkraft gibt es auch ein passives Vertrauen auf Gott oder eben ein heilsames Placebo. Krafft sagt dazu: "Je vielfältiger die Quellen der Hoffnung sind, umso besser. Mal müssen wir uns im Leben anstrengen und mit eigener Kraft für unsere Ziele einsetzen, ein anderes Mal können wir nur auf Hilfe vertrauen, hoffen und akzeptieren, dass wir wenig Kontrolle haben."

Hoffnung ruht auf drei Säulen

Unterstützt werden beide Hoffnungsformen von der dritten Säule: Wer aktiv Sinn erlebt und in seinem Leben eine stimmige Perspektive sieht – Experten nennen das „Kohärenz“ – stärkt die Quellen für Hoffnung. Sinn liegt nicht nur in Projekten, sondern vor allem auch in der Erfahrung, dass da zum Beispiel ein wichtiger Mensch auf uns wartet. Es sind gute menschliche Beziehungen, die zu Hoffnung führen. „Einsamkeit und Isolation wiederum erfüllen Menschen eher mit Mutlosigkeit“, sagt Krafft, weswegen der kontaktarme Lockdown die Hoffnungsfähigkeit aller bedroht.

Um jetzt eine kraftvolle Hoffnung zu entfalten, brauchen wir drei Fähigkeiten: Urvertrauen durch Zusammenhalt und Solidarität, eine kreative Zukunfts- und Möglichkeitsbrille und die Stärkung von Sinn – zum Beispiel durch vertrauensvolle und liebevolle Beziehungen oder inspirierende Projekte. Hoffnung zu entfalten, lässt sich trainieren, indem wir unsere persönlichen Hoffnungsquellen immer öfter bewusst pflegen – zum Beispiel anderen helfen, unsere Freundschaften pflegen und kreativ über die Zukunft nachdenken. Genauso wie in einer Negativspirale, bei der Unglück noch mehr Unglück nach sich zieht, kennen Psychologen einen Kreislauf der Hoffnung, bei dem Gutes noch mehr Gutes anregt. Drei Quellen helfen uns, um nicht im Lockdown depressiv zu resignieren und um fit und gesund durch diesen Corona-Winter zu kommen: Stärken wir sie!

Dr. Stefanie Maeck