Schokolade, Eis und dazu noch eine Tüte Chips: Wenn der emotionale Hunger kommt, können es gar nicht genug Kalorien sein. Doch das zufriedene Gefühl ist meist nur von kurzer Dauer. Aber warum tappen wir dann immer wieder in die emotionale Essensfalle?
Stress in der Schule, Streit in der Familie, Liebeskummer oder schlechte Nachrichten – Gründe, um sich mit Essen zu trösten, gibt es viele. Das umgangssprachlich genannte Frustessen ist weit verbreitet. Auch als Belohnung greifen wir gerne zu etwas Essbarem. Eine Eins in Mathe – das ist mindestens ein extragroßes Eis wert. Ein gemütlicher Nachmittag beim Streaming oder Gaming, ohne etwas zum Knabbern – kaum denkbar. Dieses Verhalten ist meist über viele Jahre konditioniert und manchmal bekommen wir gar nicht mehr mit, dass wir nicht aus physischem Hunger essen.
Ein deutlicher Hinweis, um welche Art von Hunger es sich handelt, ist dessen Auftreten. Entwickelt sich langsam ein flaues Gefühl und Magenknurren, dann ist es physischer Hunger. Dagegen hilft auch eine Gemüsepfanne. Der emotionale Hunger dagegen tritt meist schlagartig auf und gibt sich selten mit Gemüse und Obst zufrieden. Wird physischer Hunger mit Essen gestillt, sind wir anschließend in der Regel satt und zufrieden. Bei emotionalem Hunger hingegen tritt nur selten eine echte Befriedigung ein, das Glücksgefühl ist von kurzer Dauer.
Dass wir Essen mit Emotionen verbinden, liegt schon in unserer Kindheit begründet und beginnt mit dem Gefühl von Geborgenheit als Baby, wenn es Milch gibt. Später folgt das Eis als Trost für ein aufgeschlagenes Knie oder die Tafel Schokolade als Belohnung. Unbewusst verstärkt sich so die Verbindung von Emotionen und Essen. Eine Gewohnheit, die sich ein Leben lang hält und die sich zu einer Sucht oder ernsthaften Essstörungen entwickeln kann. Betroffene essen dann so viel, dass es zu Übergewicht führt, was wiederum die Gesundheit und Psyche belastet. Deswegen ist es so wichtig, emotionalen Hunger zu erkennen.
Erste Hilfe gegen emotionales Essen
Hinterfragen
Warum will ich jetzt etwas essen? Bin ich wirklich hungrig oder eher gestresst? Gelangweilt? Oder gefrustet? Geht es gerade um echten Hunger oder darum, mir ein gutes Gefühl zu verschaffen? Bauch und Kopf kennen meist die Antwort.
Problem annehmen
Wenn wir erkannt haben, dass nicht der leere Magen das Problem ist, können wir nach einer besseren Lösung als Essen suchen. Zeit, sich dem echten Problem zu stellen.
Handeln
Etwas zu verändern ist nicht immer leicht und dauert meist länger, als einen Schokoriegel zu verputzen. Trotzdem ist es wichtig, damit anzufangen. Bei Langeweile und Stress kann Bewegung an der frischen Luft helfen, das macht den Kopf frei, ist gesund und man sieht andere Menschen. Auch ein Gespräch mit netten Leuten füllt den emotionalen Tank. Diese Art von Seelennahrung macht wirklich satt und glücklich.
Mental-Health-Pandemie
Im Jahr 2022 wurde ein Drittel mehr Teenagerinnen zwischen 15 und 17 Jahren mit einer Angststörung in Kliniken versorgt als im Vor-Corona-Jahr 2019. Ein neuer Höchststand. Auch die Behandlungszahlen bei Essstörungen und Depressionen nahmen in diesem Zeitraum deutlich zu, das zeigt eine Sonderanalyse zu stationären Behandlungen psychischer Erkrankungen im DAK-Kinder- und Jugendreport. Medizinerinnen und Mediziner sehen wachsende Zukunftsängste bei jungen Menschen und warnen vor einer „Mental-Health-Pandemie“ durch Seelenleiden. DAK-Chef Andreas Storm fordert deswegen eine Präventionsoffensive zur Stärkung der psychischen Gesundheit: „Die anhaltenden Krisen hinterlassen tiefe Spuren in den Seelen vieler junger Menschen, wobei die aktuellen Krankenhausdaten nur die Spitze des Eisbergs sind. Wir müssen offen über die Entwicklung sprechen und den Betroffenen und ihren Familien Unterstützung und Hilfe anbieten.“
Benachteiligte Schulkinder häufiger einsam und krank
Nach Ende der Pandemie geht es sozial benachteiligten Schulkindern deutlich schlechter als Gleichaltrigen aus gut gestellten Familien. Die Hälfte der Jungen und Mädchen mit niedrigem Sozialstatus ist einsam. Viele haben häufiger Schmerzen, depressive Symptome oder Schlafprobleme als Gleichaltrige mit hohem Sozialstatus. Mehr als ein Fünftel der sozial benachteiligten Schulkinder hat wegen Schlafproblemen schon einmal Schlafmittel genommen. Das zeigt der aktuelle Präventionsradar der DAK-Gesundheit für das Schuljahr 2021/2022. „Die Daten des Präventionsradars zeigen: je ungünstiger die soziale Situation, desto schlechter der Gesundheitszustand. Dies zeigt sich drastisch in Krisenzeiten. Wir sollten daher besonders diejenigen Heranwachsenden unterstützen, die aus Familien stammen, die wenig Ressourcen zur Verfügung haben, um zu verhindern, dass sich Störungen und Erkrankungen im Jugendalter manifestieren“, erklärt Professor Reiner Hanewinkel als Studienleiter beim IFT-Nord in Kiel.
Nina Alpers