Plötzlich Lust auf Süßes oder Herzhaftes? Ob Heißhunger harmlos ist, hängt von seiner Ursache ab.
Heißhunger ist grundsätzlich nicht gut oder schlecht, sondern erst einmal ein Signal des Körpers „Ich will essen – und zwar sofort“. Heißhunger ist der unbändige Drang auf Süßes, Salziges, Fettiges oder es entstehen auch mal sehr spezielle Gelüste wie auf die berühmte saure Gurke bei Schwangeren. Entsprechend kann Heißhunger auf einen Mangel an entsprechenden Nährstoffen hindeuten.
Viel wichtiger als der Heißhunger an sich ist die Frage, woher er kommt und was ihn verursacht. Plötzliche Heißhunger-Attacken können harmlos sein. Sie können aber auch ernste körperliche Ursachen haben oder auf psychische Erkrankungen hinweisen.
Wie entsteht Heißhunger überhaupt?
Die Ursache für Heißhunger liegt in einem plötzlichen Abfall des Blutzuckerspiegels. „Die Klassiker sind stark zuckerhaltige Lebensmittel wie etwa Schokoriegel und Limonaden sowie Weißmehlprodukte“, weiß Marion Dürr, Ökotrophologin mit eigener Praxis in der Schweiz. Denn Süßkram & Co enthalten allesamt leicht abbaubare Kohlehydrate wie Zucker oder Stärke. „Diese wandern sehr schnell vom Magen in den Darm und werden im Vergleich zu ballaststoff- und proteinreichen Lebensmitteln schnell verdaut. Der dabei entstehende Traubenzucker wandert daher auch schnell vom Darm ins Blut, folglich steigt der Blutzucker rapide an. Er fällt danach allerdings auch wieder schnell ab. Genau dann entsteht der Heißhunger“, erklärt die 64-jährige Deutsche.
Harmlose Ursachen für Heißhunger
Die Frage ist also, warum der Blutzuckerspiegel so schwankt bzw. abfällt. Zu den harmlosen Ursachen zählen:
- Ballaststoffarme Ernährung mit viel Zucker und Weißmehl
- Lange Pausen zwischen den Mahlzeiten
- (Zu) strenge Diäten oder auch Intervallfasten
- Ausdauersport mit zu wenig Esspausen
- Langes konzentriertes geistiges Arbeiten mit wenig Pausen z.B. vor Prüfungen oder vor Abgaben mit Termindruck
- Schlafmangel
- Schwangerschaft und Stillen
- Jugendliche in ihrer Wachstumsphasen
Bei Schwangeren bringt der veränderte Hormonhaushalt den Stoffwechsel durcheinander und verursacht gerade im ersten Schwangerschaftsdrittel Übelkeit. Die ist aber harmlos. Häufig genügt ein kleiner Snack um den flauen Magen zu beruhigen.
Auch Studierende in Prüfungsphasen oder kurz vor der Abgabe einer Arbeit vergessen vor lauter Stress regelmäßiges und gesundes Essen. Bei Freizeitsportlern kommt es vor, dass die letzte Mahlzeit zu lange zurück liegt, beispielsweise wenn sie abends nach der Arbeit direkt ein anstrengendes Training absolvieren. Die Zeit bis zum Abendessen kann dann mitunter lang werden. Auch dann entsteht Heißhunger oder, falls die Kohlehydratspeicher in Muskeln und Leber leer sind, der sogenannte Hungerast mit Übelkeit, Kraftlosigkeit und/oder Schwindel.
Dürr berät häufig Patientinnen und Patienten, die sich gerade in einer strengen Diät befinden. Sie verzichten auf Kohlehydrate sowie Fett oder lassen Mahlzeiten wie Frühstück oder Abendessen ausfallen. „Beim Intervallfasten ist es häufig eine Typ-Frage. Manche kommen bis zu 16 Stunden ohne Mahlzeit aus, andere haben schon nach drei Stunden wieder Hunger“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. Häufig rühre der Heißhunger auch daher, dass sich übergewichtige Personen zu viel verbieten. „Wenn man sich auf lange Zeit alle Speisen verbietet, die man gerne hat, werden diese natürlich dadurch erst recht interessant.“ Auch zu wenig Schlaf kann Heißhunger verursachen. Dürr: „Eine der ersten Fragen, die ich meinen Patienten stelle, ist: Schlafen Sie gut?“
Wie kann ich Heißhunger vorbeugen oder austricksen?
Klar: Eine ausgewogene, gesunde Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, wenig Fleisch, Wurst und wenig Zucker ist immer gut. Auch langsames Essen trägt dazu bei, dass man nicht mehr isst als man braucht. Soweit die Theorie.
Im echten Leben ist das nicht immer so einfach, doch es gibt ein paar Tricks, mit denen Sie Ihren Heißhunger in Schach halten können.
Versuchen Sie ausreichend und gut zu schlafen. Regelmäßiger Sport wie Joggen oder Yoga und Einschlafrituale wie Lesen helfen dabei
Regelmäßige Mahlzeiten mit nicht zu langen Essenspausen
Lebensmittelzusatzstoffe wie etwa Glutamat in Chips führen dazu, dass man die Tüte schier leer essen muss. Entweder also erst gar nicht in die Tüte greifen, oder sich Lebensmittel dieser Art bewusst als Ausnahme gönnen (und dafür eine andere Mahlzeit auslassen). Selbiges gilt für Schokoladenfans, die Tafeln nur in ganzen Einheiten konsumieren können und Reste nicht „ertragen“
Bei akutem Heißhunger besser zu ein paar ungesalzenen Cashewnüssen greifen statt zu Süßigkeiten oder Kuchen. Diese enthalten zwar auch viele Kalorien, sättigen aber besser und sind gesünder
Sich nicht alles, was man gerne isst, rigoros auf Dauer verbieten, sondern bewusst genießen (siehe Chips und Schokolade)
Sich bei akutem Heißhunger mit etwas ablenken, was man gerne macht. Dürr: „Einige meiner Patienten entwickeln da richtig gute Tricks, sie telefonieren dann oder machen einen kleinen Spaziergang“
Schwangere sollten stets ein paar Snacks in Reichweite haben, um der Übelkeit durch plötzlichen Blutzuckerabfall vorzubeugen. Aber: Auch sie sollten stark zuckerhaltige Speisen und Getränke meiden. Dazu zählen übrigens auch Honig oder Agaven-Dicksaft in Bio-Qualität. Das beugt Schwangerschaft-Diabetes vor und schützt ihr Kind vor Übergewicht
Wann muss ich wegen Heißhunger zum Arzt?
Sobald Heißhunger, unabhängig von den oben genannten harmlosen Ursachen, zum Dauerzustand oder als Belastung empfunden wird, sollten Sie Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt aufsuchen. Dort können dann weitere Vorgehensweisen besprochen werden.
Körperliche Erkrankungen, die Heißhunger auslösen, sind
- Zuckerkrankheit
- Schilddrüsen-Überfunktion
- Lebererkrankungen
- Stoffwechselerkrankungen wie krankhafte Fettleibigkeit (Adipositas), bei denen die Botenstoffe für das Sättigungsgefühl nicht mehr funktionieren
Bei Zuckerkrankheit (Diabetes) tritt der Heißhunger oft in Kombination mit starkem Durst auf. Bei einer Schilddrüsen-Überfunktion verliert der Patient oder die Patientin trotz Heißhunger-Attacken häufig an Gewicht und wirkt unruhig bis rastlos. Weitere Symptome sind starke Stimmungsschwankungen, Herzrasen und hervortretende Augäpfel. Da die Leber als Kohlehydratspeicher fungiert, kann Heißhunger auch auf ernste Leberkrankungen hindeuten.
Von Adipositas, also krankhafter Fettleibigkeit, spricht man ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30. Bei sehr übergewichtigen Menschen funktioniert häufig das Sättigungsgefühl nicht mehr. Auch das kann Heißhunger auslösen.
Die Ursachen für Adipositas sind sehr vielschichtig, häufig haben die Patienten und Patientinnen auch psychische Probleme. Letztere können einerseits Ursache, aber natürlich auch eine Folge der Stoffwechselerkrankung Adipositas sein.
Zu den psychischen Erkrankungen, die Heißhunger auslösen, gehören
- Magersucht (Anorexie nervosa)
- Ess-Brech-Sucht (Bulimie)
- Binge-Eating-Störung
Bei magersüchtigen Personen tritt der Heißhunger vor allem bei sehr niedrigem Körpergewicht auf. Bei Menschen, die an Bulimie oder der Binge-Eating-Störung leiden, kommt es regelmäßig zu sogenannten Fressattacken mit extremer Nahrungsaufnahme.
Während Bulimiker die Nahrung danach wieder erbrechen, behalten an Binge-Eating-Erkrankte sie im Magen. Menschen, die an der letztgenannten Störung leiden, empfinden dann häufig Scham und Ekel über ihr eigenes Verhalten. Sie leiden häufig auch an Adipositas.